Protest gegen verschwörungsideologische Versammlung im Stadtzentrum

Update 2 +++ Dienstag, 03.10.2023, 10.00 Uhr Regierungsviertel/Stadtzentrum - Gab es 2022 noch 7 bundesweite Mobilisierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum nach Berlin, soll am 3.Oktober nun die erst 2. bundesweite Mobilisierung nach Berlin erfolgen. Gegenprotest am Lustgarten und Unter den Linden.

Kurzinfos

Die Omas gegen Rechts Berlin und die antiverschwurbelte aktion organisieren Gegenproteste am Lustgarten sowie Unter den Linden

Anlass: Verschwörungsideologische Mobilisierung mehrerer unterschiedlicher Vorbereitungskreise zum 3. Oktober ins Regierungsviertel/Stadtzentrum von Berlin.

  • Gegenproteststart: 10.00 Uhr Omas gegen Rechts Berlin
  • Gegenprotestort: Schlossplatz / U Museumsinsel (Gegenüber vom Lustgarten)
  • Erreichbarkeit des Gegenprotestes mit ÖPNV: U Museumsinsel

Zwischen 13.30 – 16.30 Uhr zieht der Gegenprotest zu einer ebenfalls angemeldeten Kundgebung von antiverschwurbelte aktion um auf die Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße

Aktuelle Informationen auch auf X/Twitter und Mastodon unter dem Hashtag #b0310

Foto: Berlin gegen Nazis

Ausführliche Hintergründe

Erneut begann die Mobilisierung aus dem Umfeld der Gruppierung „Deutschland steht auf“, die bereits für die Mobilisierungen nach Berlin am 18.03.2022 und 17.12.2022 verantwortlich war. In Kooperation mit Berliner Gruppierungen wie der „Freedom Parade“ organisierte „Deutschland steht auf“ den 3. Jahrestag der ersten Querdenken-Demonstration in Berlin am 05.08.2023 im Regierungsviertel, an dem 4.000-5.000 Personen teilnahmen. Solche Zahlen erreichen bundesweite Mobilisierungen in andere Städte schon lange nicht mehr und auch für den 3. Oktober in Berlin ist nicht mit einer solchen Anzahl zu rechnen, da u.a. der Jahrestagseffekt fehlt.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR schreibt in ihrer Analyse aus dem Juli zum Zustand des verschwörungsideologischen Spektrums:

Diese verschwörungsideologische Szene, die vor allem während der Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen entstand, ist weiterhin aktiv, befindet sich zurzeit allerdings in einer Umbruchphase. Obgleich die verschwörungsideologischen Aktivist_innen mittlerweile über jahrelange Erfahrung und ausreichend Infrastruktur verfügen wie Anmelder_innen, Technik und mediale Begleitung für das Durchführen öffentlicher Versammlungen, haben die Proteste auf der Straße ihren Zenit überschritten. Es werden kaum noch Menschen außerhalb der eigenen Blase mobilisiert. Gleichwohl weisen diejenigen, die sich weiterhin als Teil des inneren Kreises sehen, mittlerweile ein geschlossenes verschwörungsideologisches Weltbild auf. Innerhalb ihrer oft undurchsichtigen Kommunikationskanäle reproduzieren reichweitenstarke Multiplikator_innen auf Grundlage diverser Verschwörungserzählungen immer wieder die eigenen Narrative – zuletzt mit deutlicher Anschlussfähigkeit für Rechtsextremismus und Rechtspopulismus (s.u.).

MBR Berlin, Juli 2023

In der aktuellen erst am 16.09. gestarteten Mobilisierung nach Berlin gab es zunächst kaum professionell gestaltete Share-Pics oder Videos auf den entsprechenden Telegramkanälen, sondern sehr basale Grafiken und kurze dafür aber eher radikalere Aufrufe. Bei einer bundesweiten Versammlung des Spektrums am 16. September in Magdeburg wurde von fast allen Redner_innen zur Fahrt nach Berlin und einer Versammlung am Brandenburger Tor mit anschließender Demonstration aufgerufen. Seit dem 26.09. mobilisieren die Telegramgruppen aus dem Umfeld von „Deutschland steht auf“ nicht mehr zum Brandenburger Tor, sondern bewerben als Auftaktort ihrer Demonstration den Lustgarten und eine Demonstrationsroute durch das Stadtzentrum zum Potsdamer Platz.

Erneut wird eine lange Liste an Redner_innen beworben. Unter den Redner_innen befindet sich neben der Berliner „Gruppierung KDW“ auch ein Protagonist, der in Berlin mit dem Telegramaccounts „Free People“ wiederholt Anmeldungen tätigte. Der Betreiber dieses Accounts dokumentiert regelmäßig seine persönliche Nähe zu bekannten Personen aus dem rechtsextremen Spektrum und teilt die Inhalte dieser Personen. „Free People“ führte am 05.02.2023 eine Kundgebung unter dem Motto „Wir stoppen den 3. Weltkrieg“ vor dem Reichstag durch an der Reichsbürger_innen und Rechtsextreme neben den bekannten verschwörungsideologischen Gruppierungen offen teilnahmen. Democ e.V. hat zu dieser Kundgebung eine Videodokumentation erstellt. Hintergrundinformationen zur Gruppierung „KDW“ gibt es u.a. hier. Zudem gibt es wie schon in Magdeburg weitere Redner_innen aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum.

Auch am Brandenburger Tor sind weiterhin eine Kundgebung statt auf der ebenfalls eine sehr lange Liste von Redner_innen angekündigt ist, die viele Überschneidungen mit der Kundgebung am Lustgarten aufweist. Zudem soll auch die Anmelderin der „Mensch zu Mensch Aktion“-Demonstrationen sprechen, die sich schon länger aus dem Versammlungsgeschehen zurückgezogen hat. Organisiert wird die nicht mehr im Zentrum der Mobilisierung stehende Versammlung am Brandenburger Tor offenbar von einem bundesweit bekannterer Protagonisten und Mitbegründer der verschwörungsideologischen Partei „Die Basis“, welcher bereits um Ostern 2021 als Redner und Versammlungsleiter wöchentlicher Kundgebungen am Brandenburger Tor auftrat. Diese waren von Beginn an schlecht besucht, warteten jedoch mit Redner_innen aus dem rechtsextremen Spektrum auf. (siehe Informationsartikel Berlin gegen Nazis, Einschätzung der MBR Berlin, Videodokumentation JFDA)

Foto: Berlin gegen Nazis, 28.08.2021 Leipziger Platz

Zum ersten Jahrestag der Querdenkenversammlung am 29. August 2020, die zum sogenannten „Sturm auf den Reichstag“ führte, richtete dieser Protagonist am 28. und 29. August 2021 Kundgebungen auf dem Leipziger Platz für die Partei „Die Basis“ aus.Bereits vor der Eröffnung der Kundgebung am 28.08. kam es zu sehr pressefeindlichen Situationen, wie das JFDA berichtete.

Foto: Berlin gegen Nazis 05.11.2022 – Alexanderplatz

Interessant an der Mobilisierung zum 03.10. nach Berlin war zudem, dass zwar Berliner Gruppierungen wie der „KDW“, „Die Basis“ oder die Berliner „Eltern stehen Auf“ Gruppe zum Lustgarten mobilisierten, die beiden aktivsten Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum jedoch zunächst einen anderen Fokus hatten. Die „Freedom Parade“ und „Die Basis Berlin“ riefen zu einer etwa zeitgleichen Demonstration der Friedensinitiative „Friko“ auf und kündigen dort mit ihrem verschwörungsideologischen „Bündnis für Frieden“ einen Lautsprecherwagen an. Diese Kooperation zwischen einer seit Jahrzehnten bestehenden Friedensinitative wie der „Friko“ und Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum ist keine neue Entwicklung in Berlin. Ausführlichere Informationen zum „Bündnis für Frieden“ und zu dieser Zusammenarbeit mit der „Friko“ in einem Informationsartikel zum 18.03.23. Interessanterweise wurde die Ankündigung für einen Lautsprecherwagen um den 30.09. vom „Bündnis für Frieden“ auf Telegram zurückgezogen und ein entsprechender Post nachträglich editiert.

Die MBR Berlin weist in ihrem Analysepapier aus dem Juli darauf hin, dass die Einordnung einer solchen Zusammenarbeit als Querfrontversammlung der Analyse abträglich sein kann:

Assoziiert wird unter Querfront mitunter einfach die Zusammenkunft von Akteur_innen, die wenig verbindet oder die sogar gegensätzliche politische Ansichten vertreten. Eine fehlende Abgrenzung zu rechten oder verschwörungsideologischen Positionen läuft aber nicht zwingend auf eine Querfront hinaus, dasselbe gilt für den Fall, dass Rechtsextreme auf linke bzw. nicht-rechte Demonstrationen gehen. Hier gilt es vielmehr, die jeweils verbreiteten Inhalte zu betrachten: Werden überhaupt noch originär linke Positionen vertreten, oder geht es um pauschale Anklagen (die Regierung, die Parteien, die Eliten, „die da oben“)? Gibt es bestimmte Ideologien, Erzählungen oder Feindbilder, die als Scharnier oder übergreifend funktionieren (Antisemitismus, Antifeminismus, „anti-modern“) und die offen sind für rechtsextreme und autoritäre Ansätze? All diese Fragen zeigen, dass der Wunsch nach einfachen und eindeutigen Kategorien eine nachvollziehbare Reaktion auf die Unübersichtlichkeit von Akteur_innen und Narrativen ist, diese aber häufig verkürzen sowie verklären und damit eher in die Irre führen.

MBR Berlin, Juli 2023

Dienstag – 03.10.2023, Stadtzentrum/Regierungsviertel

(Stand Anmeldungen/Informationen 01.10.2023 – Änderungen möglich)

Hinweise: Die hier aufgeführten Informationen von Berlin gegen Nazis haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie basieren auf der öffentlichen Versammlungsdatenbank des Landes Berlin sowie Zusatzinformationen aus eigener Recherche. Die Informationen zu Versammlungen können von der Versammlungsdatenbank abweichen, da Berlin gegen Nazis häufig aktuellere Informationen bereitstellt oder spezifische Informationen in der Versammlungsdatenbank nicht angezeigt werden. Aktuelle Änderungen gegenüber den hier aufgeführten Informationen sind möglich. Wir aktualisieren unsere Informationen bei neuen Entwicklungen.

  • ab 10.00 Uhr Gegenprotest, Schlossplatz/ U-Bahnhof Museumsinsel (Gegenüber Lustgarten), Omas gegen Rechts Berlin & Friends

  • 11:00 – 18:00 Uhr, Platz des 18.März (Westseite Brandenburger Tor) – verschwörungsideologische Kundgebung angemeldet für 499 Personen unter dem Motto „Krieg und Frieden und die Folgen für die Deutsche Einheit“

-> Kurzinfo: Diese Anmeldung bestand bereits seit vielen Monaten, allerdings angesetzt für den späten Nachmittag. Eine ähnliche Anmeldung existiert auch für den 2. Oktober ab 17 Uhr. Sie wird ebenfalls von „Die Basis“ beworben. Auch 2022 gab es am 2. und 3. Oktober solche Anmeldungen für 499 Personen, die erfolglos von „Die Basis Berlin“ beworben wurden.

  • 11.00 -19.00 Uhr, Lustgarten – verschwörungsideologische Demonstration angemeldet für 500 Personen unter dem Motto „Transparenter politischer Dialog“

Route: Lustgarten, Unter den Linden 1 / Schloßplatz – Karl-Liebknecht-Brücke – Karl-Liebknecht-Str. – Alexanderplatz / Alexanderstr. – Alexanderstr. (ZK) – Grunerstr. – Gustav-Böß-Str. – Spandauer Str. – Mühlendamm – Mühlendammbrücke – Getraudenstr. – Leipziger Str. – Friedrichstr. – Unter den Linden – Lustgarten, Unter den Linden 1 / Schloßplatz (alt)- Gendarmenmarkt – Charlottenstr. – Unter den Linden – Alexanderplatz – Alexanderstr. – Grunerstr. – Gustav-Böß-Str. – Spandauer Str. – Mühlendamm – Getraudenstr. – Leipziger Str. – Markgrafenstr. – Gendarmenmarkt

-> Kurzinfo: Anmeldungen unter diesem Motto gab es u.a. an mehreren Tagen um den 01.08.2023. Die Gruppierung „Deutschland steht auf“, war neben den Mobilisierungen nach Berlin am 18.03.2022, 17.12.2022 und 05.08.2023 auch für die verschwörungsideologischen Mobilisierung zum Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße verantwortlich.

  • 13.30 – 16.30 Uhr Gegenprotest, Unter den Linden/ Friedrichstraße, antiverschwurbelte aktion

Weitere relevante Anmeldungen am 03.10.23 im Stadtzentrum von Berlin:

  • 11.00 – 22.00 Uhr, Platz der Republik – regelmäßige Reichsbürgerkundgebung der Gruppierung „staatenlos“

  • 13:00 – 16:00 Uhr, Werderscher Markt – Demonstration der Friedensinitiative „Friko“ mit organisatorischer Beteiligung von verschwörungsideologischen Gruppierungen unter dem Motto „Höchste Zeit für Friedenspolitik! “ angemeldet für 500 Personen

->Route: Werderscher Markt – Französische Str. – Friedrichstr. – Leipziger Str. – – Leipziger / Wilhelmstr. ZK – Wilhelmstr. – Willi-Brandt-Haus

-> Kurzinfos: Die „Freedom Parade“ und „Die Basis Berlin“ rufen zu einer etwa zeitgleichen Demonstration der Friedensinitiative „Friko“ auf und kündigen dort mit ihrem verschwörungsideologischen „Bündnis für Frieden“ einen Lautsprecherwagen an. Diese Kooperation zwischen einer seit Jahrzehnten bestehenden Friedensinitative wie der „Friko“ und Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum ist keine neue Entwicklung in Berlin.

Aktuelle Informationen auch auf Twitter und Mastodon Hashtag #b0310

Beitragsfoto: Berlin gegen Nazis, 17.12.2022