Hintergründe – Kurzüberblick
Nach den begangenen „Querdenken“-Jahrestagen im August 2021 ist die Mobilisierungsfähigkeit des verschwörungsideologischen Spektrums in und nach Berlin stark gesunken. Schon im August konnte nicht mehr über das eigene Spektrum hinaus nach Berlin mobilisiert werden, so die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR in einer Einschätzung zu den Jahrestagen. Zuvor hielten die verschwörungsideologischen Versammlungen in und nach Berlin mit wöchentlichen, zeitweise täglichen Anmeldungen oder unangemeldeten Demonstrationen in den unterschiedlichsten Größen an. Trotz der zeitweisen Abnahme der Anmeldungen gab es weiterhin kleine Mobilisierungen, die in der Spitze berlinweit bis zu 250 Personen auf die Straße bringen konnten. Dabei wurden neben dem Stadtzentrum häufig Routen in Wohnvierteln der Berliner Bezirke gewählt. Seit dem Jahresende 2021 steigen die Anmeldungen und unangemeldeten Demonstrationen in Berlin insbesondere an den Montagen wieder an. Diese Entwicklung lässt sich aus der bundesweiten Tendenz erklären. Über diese Versammlungen und die Proteste dagegen in formieren wir in Extrartikeln auf berlin-gegen-nazis.de.Die MBR Berlin analysiert diese neue Protestwelle hier.In den letzten Wochen wurde deutlich, dass Berliner Gruppierungen, die verschwörungsideologische Mobilisierungen nach Berlin jenseits der Montage gestartet haben, nur in Ausnahmefällen von der neuen Protestwelle profitieren konnten. Dies kann sich jedoch jederzeit ändern, sollten z.B. zentrale politische Entscheidungen über weitere staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-Pandemie im Bundestag debattiert werden.
Die MBR Berlin hat die Zusammensetzung der Teilnehmenden seit Frühjahr 2020 mehrfach als diffuse Mischung unterschiedlichster Milieus beschrieben, deren gemeinsamen Nenner Verschwörungsnarrative sind, häufig kombiniert mit NS-Verharmlosung und codiertem Antisemitismus. Diese Charakteristik bildet sich auch bei den kleineren Versammlungen in Berlin regelmäßig in unterschiedlichen Varianten ab. Das von der MBR Berlin mehrfach beschriebene Gefährdungspotential bei großen Versammlungen im Rahmen bundesweiter Mobilisierungen, ist bei den momentanen kleineren Versammlungen geringer. Mindestens für Personen die zufällig für Gegner_innen dieser Versammlungen gehalten werden oder für Pressevertreter_innen vor Ort ist sie jedoch gegeben. Dies zeigte sich zuletzt am 4. Dezember.(Tagesspiegel 04.12.21) Insgesamt zeichnet sich seit dem Sommer eine anhaltend geringere Teilnahme von Rechtsextremen bei den verschwörungsideologischen Versammlungen in Berlin ab, die aber weiterhin von einem Großteil der Teilnehmenden akzeptiert sind.
Zum Weiterlesen:
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR:
- 07.02.2022 „Beobachtungen zu den sogenannten „Montagsspaziergängen“ in Berlin„
- „27.- 29. August 2021 – Verschwörungsideologische Mobilisierung nach Berlin„
- MBR Berlin im Interview bei t-online: „Die Menschen berauschen sich an diesem Gefühl“
- „Bundesweite Mobilisierung zu verschwörungsideologischen Versammlungen um den 1. August nach Berlin„
- „Einschätzung der MBR Berlin zu den verschwörungsideologischen Versammlungen am Pfingstwochenende“ 21.-24. Mai 2021
Berliner Zustände – Schattenbericht 2020 vom antifaschistische pressearchiv und bildungszentrum berlin e.V. (apabiz) & der MBR BERLIN:
- „Besorgniserregende Schulterschlüsse in pandemischen Zeiten“
- „Umgang mit Verschwörungserzählungen im privaten Kontext.„
- Weitere Beiträge zum Thema: Schattenbericht 2020 PDF
regelmäßiges Versammlungsgeschehen in Berlin – Winter 2021/22
Seit März 2021 besteht in Berlin eine Vernetzung von über 10 Kleinstgruppierungen unter dem Motto „Demo-Tour – wir sind viele“. Die meisten der beteiligten Gruppen bestehen nur aus 2-3 Personen. Einige gut organisierte Gruppierungen tragen maßgeblich die Umsetzung der gemeinsamen Anmeldungen oder führen eigene Versammlungen durch, an der teilweise auch Personen der anderen Gruppierungen teilnehmen. Die sogenannte „Freedom Parade“ ist der wichtigste Motor dieser Demonstrationen in Berlin. Der Hauptorganisator war schon im April 2020 auf dem Rosa-Luxemburg-Platz präsent. Die dortigen Versammlungen wurden von der Gruppierung „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand – KDW“ initiiert, die ebenfalls weiterhin und oft in Kooperation mit der „Freedom Parade“ aktiv ist. Seit November wird eine regelmäßige „Grossdemonstration“ am ersten Samstag im Monat aus diesen Strukturen angekündigt. Die Ausgaben am 4. Dezember und 31. Dezember waren jedoch Misserfolge. Hier eine Einschätzung der MBR Berlin zum 4.Dezember. Auch am gescheiterten Versuch einer erneuten bundesweiten Mobilisierung aus Anlass einer Debatte über eine allgemeine Impfpflicht am 26. Januar 2022 waren diese Gruppierungen maßgeblich beteiligt. Persnen aus dem Umfeld der „Freedom Parade“ nehmen seit dem Jahresbeginn auch vermehrt an den „Montagsdemonstrationen teil. Für diese wirbt auch die „KDW“ in ihren Publikationen nun schwerpunktmäßig. Am 5. Februar gab es nach längerer Zeit wieder eine angemeldete Demonstration der „Demo-Tour“ mit mehreren hundert Personen durch Mitte. Dabei wurde im Gegensatz zu den unangemeldeten Aktionen erneut die verschwörungsideologischen Inhalte und die akzeptierte Teilnahme von einigen bekannten Rechtsextremen deutlich. (siehe hier)
Ausführliche Hintergründe zu den Protesten gegen die „Demo-Tour“ aus dem Frühjahr 2021 finden sich hier. Eine weitere Dokumentation dazu findet sich auch im Gesamtüberblick der Positionierungen & Proteste gegen verschwörungsideologische Versammlungen 2020 & 2021 in Berlin.
Bis Januar 2022 nicht zur „Demo-Tour“ Vernetzung gehörten die seit Sommer 2020 wöchentlich durchgeführten Autokorsos. Zu Hochzeiten der Mobilisierung im Frühjahr 2021 nahmen mehrere hundert Fahrzeuge mehrmals wöchentlich an diesen Autokorsos teil, gegen die es auch bezirksübergreifende Proteste gab – siehe hier. Lange Zeit nahmen zumeist freitags in den Abendstunden und samstags um die Mittagszeit nur noch um die 20 Fahrzeuge teil. Die MBR BERLIN formulierte aus Anlass von Autokorsos am 30. und 31. Dezember: »Die Gruppen haben sich im Streit um Details schon mehrfach gespalten, sie bleiben ab.er ganz klar dem verschwörungsideologischen Spektrum verhaftet, codierter Antisemitismus inklusive« (nd 29.12.21) Im Dezember wurden die Start-, End- und Zwischenkundgebungen der Gruppierung „Autokorso Berlin“ vermehrt als Anlaufpunkte für bis zu 100 Fußgänger_innen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum genutzt. Eine Kooperation zwischen „Demo-Tour“ und „Autokorso Berlin“ war seit Dezember erkennbar. Seit Mitte Januar 2022 wird „Autokorso Berlin“ auf den Mobilsierungsgrafiken der“Demo-Tour“ aufgeführt..
Der zweite Autokorso „Freie Geister“ kooperiert seit Januar 2022 mit der rechtsextremen Kleinstgruppierung „POE“ und stellte mehrmals die Technik für die verschwörungsideologische „Montagsdemonstration“ dieser Gruppierung. Über diese Autokorso-Anmeldungen informiert Berlin gegen Nazis auf Twitter oder am Ende dieses Artikels.
Zuweilen entstehen auch in Berlin neue Gruppierungen oder bereits bestehende Zusammenschlüsse werden aufgrund von Mobilisierungserfolgen sichtbarer. Immer wieder gibt es auch einmalige Anmeldungen von nicht aus Berlin stammenden Gruppierungen oder Einzelpersonen, die sich Vornehmen in der Hauptstadt zu demonstrieren.
Die MBR Berlin analysiert die aktuelle Wechselwirkung zwischen den unterschiedlichen Versammlungsschwerpunkten in Berlin ausgehend von den sogenannten Montagsspaziergängen:
Den „Spazierenden“ geht es darum, eine Empörung der gesellschaftlichen „Mitte“ zu inszenieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden auch in Berlin verschiedene Strategien angewandt. So wird dazu aufgerufen, auf alle politischen Symbole zu verzichten, nachdem infolge kritischer Medienberichterstattung die demonstrative Distanzierung von einem durch Anhänger_innen der rechtsextremen „Patriotic Opposition Europe“ organisierten Versammlung in Berlin-Mitte vollzogen wurde. Bei dem Verzicht scheinen allerdings unterschiedliche strategische Überlegungen sowie (persönliche) Streitigkeiten der jeweiligen Organisator_innen im Vordergrund zu stehen. Es gibt indes aus dem Organisationskreis der „Spaziergänge“ auch Versuche, die Proteste zu zentralisieren und dadurch auszuweiten. So beteiligten sich die bekannten Berliner Akteur_innen von Demo-Tour und Freedom Parade u.a. maßgeblich an den Versammlungen von „Friedlich Zusammen“ und organisierten am 31. Januar 2022 einen Protest unter dem Motto „Pflege steht auf“. Dass es sich hierbei um eine bewusste Strategie handelt, gesellschaftliche Breite zu inszenieren und Legitimität des Protestes zu suggerieren, zeigt sich in den Diskussionen der für die „Spaziergänge“ maßgeblichen digitalen Strukturen von „Berlin steht Auf / Freie Berliner“. Die für die Kommunikation und Vernetzung relevanten Social-Media-Kanäle wurden von ehemaligen Querdenken-Aktivist_innen angelegt und verwaltet.
MBR Berlin 07.02.22
Chronologie
Dieser Artikel informierte über verschwörungsideologische Versammlungen oder Anmeldungen, die als Anlaufpunkte für verschwörungsideologische Versammlungen dienten.
- Im Jahr 2021 zu den Daten: 18.11., 27.11., 04.12., 18.12., 20.12, 27.12. und 31.12.
- Im Jahr 2022 zu den Daten: 03.01., 08.01. 15.01., 22.01, 26.01., 05.02., 12.02. und 19.02.
Berlin gegen Nazis dokumentierte in diesem Rahmen auch zu Gegenprotesten und Positionierungen gegen Verschwörungsideologien, Rechtsextremismus und Antisemitismus 2021 am 27.11., 04.12., 20.12., 27.12., 28.12., und 2022 am 03.01., 08.01., 26.01. und 05.02..
Informationen zu den montäglichen Gegenprotesten und Hintergründe zu den Mobilisierungen zu verschwörungsideologischen „Montagsdemonstrationen“ finden sich seit Anfang Januar 2022 in umfangreichen Extraartikeln, z.B. zum 10.01. , 17.01. , 24.01. ,31.01., 07.02.,14.02. und 21.02..
Routen und Kundgebungsorte
(Stand Anmeldungen/Informationen – – Änderungen möglich)
Hinweis: Unsere Informationen basieren auf der öffentlichen Versammlungsdatenbank des Landes Berlin, sowie Zusatzinformationen aus eigener Recherche. Unsere Informationen zu Versammlungen können von der Versammlungsdatenbank abweichen, da wir häufig aktuellere Informationen bereitstellen und die Datenbank, z.B. Verbote nicht anzeigt. Gegen begründete Verbote von Versammlungen kann die anmeldende Person eine gerichtliche Klärung in Eilverfahren durch mehrere Instanzen auf dem Rechtsweg bestreiten. Wir aktualisieren unsere Informationen bei neuen Entwicklungen und ausreichender Relevanz der Anmeldungen. Diese Informationen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Finaler Stand 19.02.2022
Aktuelle Informationen auch auf Twitter