Das verschwörungsideologische Spektrum kämpft seit dem Frühjahr 2023 mit Mobilisierungsproblemen und wendete sich teilweise dem Rechtsextremismus zu. Im März 2024 versuchten Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen und dem rechtsextremen Spektrum mit neuen Mobilisierungen zu unterschiedlichen Themen wieder auf den Straßen sichtbarer zu werden. Dies ist nicht gelungen. Ausführliche Informationen zu diesen Versuchen im März hier. Das Thema Frieden ist weiterhin der zentrale Anknüpfungspunkt an aktuelle gesellschaftliche Krisen für die nur noch sporadischen Anmeldungen aus den genannten Spektren. Am 6. Juli gibt es parallel zwei Anmeldungen, die dies erneut in Berlin versuchen.
Rechtsextreme Kundgebung am Potsdamer Platz
Samstag, 06.07.2024, Potsdamer Platz, 14.00 – 18.00 Uhr – Kundgebung mit dem Motto „Frieden“ eines im Mai 2023 unter Beteiligung von bekannten Rechtsextremen neu gegründeten Vereins mit dem Namen „Aufbruch Frieden, Souveränität und Gerechtigkeit.“ Nach Autokorsos und Versammlungen in NRW und Berlin sind führende Protagonist_innen der Gruppierung nach eigen Angaben nach Russland ausgewandert. Die verbliebenen Protagonist_innen haben am 6. Juli eine Kundgebung für 50 Personen in Berlin angemeldet, dass sie diese Anzahl erreichen ist eher unwahrscheinlich.
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR schätze die Gruppierung und ihre Ausrichtung aus Anlass einer Anmeldung in Berlin im September 2023 (Details hier) u.a. wie folgt ein:
Das „Aufbruch“-Label soll nach den Plänen ihrer Initiator_innen offensichtlich als Sammelbecken für ein heterogenes rechtes Milieu dienen: einerseits für diejenigen, welche die AfD aus unterschiedlichsten Gründen verlassen haben oder sich nicht (mehr) von ihr vertreten fühlen, aber dennoch inhaltliche Schnittmengen zur Partei aufweisen; andererseits für geflüchteten- und islamfeindliche Protagonist_innen, Angehörige aus der verschwörungsideologischen Corona-Protestszene sowie für dezidierte Putin-Fans. Ein Bündnispartner ist das rechtsextreme „Compact-Magazin“, das die inhaltlichen Standpunkte dieses Spektrums vertritt. (…)
Dass die autoritäre Herrschaft Putins von Protagonisten der rechten Szene befürwortet wird, ist kein neues Phänomen, sondern seit Jahren zu beobachten. Bereits bei Aufmärschen von Pegida und ihren Ablegern waren regelmäßig Russlandfahnen und Schilder, die Putin als Heilsbringer verklärten, zu sehen.
MBR, 06.09.2023
Verschwörungsideologische Demonstration durch Schöneberg
Samstag, 06.07.2024, Breitscheidplatz, 14.00 – 19.00 Uhr – Verschwörungsideologischer Schweigemarsch durch die City-West, angemeldet für 200 Personen unter dem Motto: „Meine Kinder geb ich nicht – wir gedenken den Opfern der gierigen Rüstungsindustrie, der unfähigen, menschenverachtenden Politik, der einsam und würdelos Gestorbenen, der durch die Pandemie psychisch zerstörten Kindergeneration, den Impfgeschädigten und aller vergessenen Opfer“
-> Route: Budapester Str. (AK) – Budapester Str. – Tauentzienstr. – Wittenbergplatz – Kleiststraße – Motzstr. – Nollendorfplatz – Bülowstr. – Potsdamer Str. – Kurfürstenstr. – Budapester Str. – Hardenbergstr. – Joachimsthaler Str. – Kurfürstendamm (EK)
Die Anmeldung ist von den üblichen Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum unter den Lables „Bündnis für Frieden und „Wir sind viele“ getätigt worden. Unter „wir sind viele“ werden seit mehreren Jahren verschwörungsideologische Versammlungen in Berlin angemeldet (siehe auch hier). Das „Bündnis für Frieden“ wurde 2023 maßgeblich von den Gruppierungen „Freedom Parade“ und der Kleinstpartei „Die Basis“ initiiert und konnte über mehrere Monate regelmäßig um die 500 Personen mobilisieren (ausführliche Hintergründe hier). Unter den Redner_innen befanden sich fast immer bekannte Personen aus der bundesweiten Friedensbewegung. Im Sommer kamen dann die Aktivitäten des „Bündnis für Frieden“nahezu zum Erliegen, die spektrenübergreifende Zusammenarbeit zum Thema „Frieden“ setzte sich jedoch auf niedrigem Niveau fort. Die MBR schrieb in ihrem Jahresrückblick 2023 von einer mittlerweile etablierten Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung. Mit der Aktionsform Schweigemarsch knüpften die verschwörungsideologischen Gruppierungen an eine Demonstrationsserie aus dem Winter 2020/21 an (siehe auch hier). Erneut wird ein kleiner Fahrradkorso unter dem Motto „Friedensfahrt“ eine Art Zubringerdemonstration zum Breitscheidplatz machen.
Vermutlich ist diese Demonstration die letzte größere Anmeldung vor dem 4. Jahrestag der ersten Querdenken Demonstration in Berlin am 1. August 2020 und wird daher insbesondere zur Mobilisierung für den 3. August dienen, an dem die Stuttgarter Gruppierung Querdenken 711 mit einer Großdemonstration nach Berlin zurückkehren und danach ein mehrwöchiges Camp im Tiergarten ausrichten will. Die MBR hat im Sommer 2023 eine weiterhin gültige Situationsbeschreibung für das verschwörungsideologische Spektrum in Berlin formuliert:
Berlin spielt für Mobilisierungen und Proteste nach wie vor eine herausragende Rolle, vor allem als Standort der Regierung und vieler wichtiger Institutionen und Einrichtungen, aber auch als Symbol. Insbesondere die bundesweiten „Querdenken-Proteste“ erlebten hier 2020 mit mehreren zehntausend Personen ihr ganz eigenes „politisches Woodstock“. (…) Diese verschwörungsideologische Szene, die vor allem während der Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen entstand, ist weiterhin aktiv, befindet sich zurzeit allerdings in einer Umbruchphase. (…) Es werden kaum noch Menschen außerhalb der eigenen Blase mobilisiert. Gleichwohl weisen diejenigen, die sich weiterhin als Teil des inneren Kreises sehen, mittlerweile ein geschlossenes verschwörungsideologisches Weltbild auf. Innerhalb ihrer oft undurchsichtigen Kommunikationskanäle reproduzieren reichweitenstarke Multiplikator_innen auf Grundlage diverser Verschwörungserzählungen immer wieder die eigenen Narrative – zuletzt mit deutlicher Anschlussfähigkeit für Rechtsextremismus und Rechtspopulismus.
Quelle MBR 08.07.23
Beitragsfoto: Berlin gegen Nazis, 13.05.2023, Bündnis für Frieden Demonstration