Seit nunmehr vier Jahren findet immer an einem Wochenende im Frühsommer das Festival Offenes Neukölln im Bezirk Neukölln statt. Das Festival wurde 2017 als Solidaritätswochenende ins Leben gerufen. In Reaktion auf die Ende 2016 wieder aufflammende und anhaltende rechtsextreme Angriffsserie in Neukölln auf Menschen, die sich in der ein oder anderen Form gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus engagieren, widmen sich die Organisator_innen und die Beitragenden auch dem Neukölln, in dem sie leben möchten. Sie wollen den Angriffen ihre Vision eines offenen Neuköllns entgegensetzen. Ein Neukölln, das seine Differenzen feiert und in einem lebendigen, kreativen und solidarischen Austausch steht. Berlin gegen Nazis hat jedes Jahr von den Festivals ausführlich berichtet: 2017, 2018, 2019, 2020.
Ins Leben gerufen wurde das Festival vom Bündnis Neukölln. Das Bündnis Neukölln ist ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Parteien, linken Initiativen und vielen Anwohner_innen, die seit fast 10 Jahren vertrauensvoll und auf Grundlage eines Leitbildes zusammenarbeiten.
Im diesjährigen Aufruf zum Mitmachen heißt es:
[W]ir [wollen] mit dem Festival erneut ein deutliches und sichtbares Zeichen setzen: für ein offenes und solidarisches Neukölln, gegen Diskriminierung und rechte Gewalt, für Solidarität mit den Opfern rechter Angriffe sowie für eine Gesellschaft, die vielfältig ist und offen gegenüber allen Menschen, die hier leben. Damit Neukölln ein Ort bleibt, in dem wir alle gerne leben und uns wohlfühlen!
Hintergrund
Neben der rechtsextremen Angriffsserie, die sich vornehmlich gegen Engagierte richtet, ereigneten sich in Nord-Neukölln in den letzten Jahren mehrere rechtsextreme Angriffe auf Ladengeschäfte, linke Cafés und Räume die von Migrant_innen genutzt werden. Berlin gegen Nazis berichtete über zahlreiche Solidaritätsaktionen (Beispiele: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7).
Über die Jahre hinweg zeichnet sich keine Entspannung der Lage in Neukölln ab.
Anfang August 2020 ist allerdings nun Bewegung in die Ermittlungen gekommen. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat die Fälle der rechtsextremen Angriffsserie an sich gezogen. Nachzulesen sind die Ereignisse u.a. in in der tageszeitung und im Tagesspiegel.
Es gab und gibt von den Betroffenen starke Kritik an der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Unter anderem wurde eine Petition mit 25.679 Unterschriften eingereicht, die sich für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ausspricht. Seit zwei Jahren trifft sich die Britzer Initiative BASTA wöchentlich vor dem Berliner LKA um die Aufklärung der rechtsextremen Angriffsserie in Neukölln zu fordern. Innensenator Geisel spricht sich nun für die Einsetzung von externen Sonderermittler_innen aus.
Rückblick
Berlin gegen Nazis begleitet das Festival Offenes Neukölln seit seinem Entstehen. Bereits im ersten Jahr 2017 beteiligten sich über 80 Vereine, Initiativen, Kneipen und Organisationen und realisierten über 100 Veranstaltungen. Berlin gegen Nazis vermittelte Kontakte, stellte Verbindungen her und gab Impulse für Veranstaltungen. Die Initiator_innen waren überwältigt von dem großen Zuspruch, den es aus der Bevölkerung gab. Im Folgejahr 2018 stieg die Beteiligung noch einmal rasant an und die teilnehmenden Veranstalter_innen realisierten insgesamt über 150 Veranstaltungen: Vorträge, Theateraufführungen, Konzerte, Führungen bis hin zu Mitmach-Aktionen für Kinder – alles in allem und trotz allem ein großartiges Zeichen der Solidarität.
Beim Festival Offenes Neukölln 2019 war Berlin gegen Nazis auch Teil des Veranstaltungsprogramms. Die Ausstellung „Raise your Voice“ in der LiTE-HAUS Galerie+Projekteraum in Neukölln zeigte Ausschnitte aus dem 2016 produzierten Berlin gegen Nazis Trailer und der dazugehörigen Plakatkampagne – entstanden mit Motor Kommunikation und vielen anderen Partner_innen. „Es ist an der Zeit, den Mund aufzumachen, gegen Nazis und Rassisten. Denn die sind nur ein paar und wir sind viele!“ Die Ausstellung war eingebettet in eine Klanginstallation. Berlin gegen Nazis beteiligte sich außerdem an einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Ausstellung
In diesem Jahr 2020 hat Berlin gegen Nazis den Auftakt mit einem Fotoshooting zusammen mit den Omas gegen Rechts Berlin auf dem Klunkerkranich begleitet. Das Lokal befindet sich auf der obersten Etage der Neukölln Arcaden und eröffnet einen Blick über die Dächer Neuköllns. Das Fotoshooting war gleichzeitig ein ganz direktes Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen: In der Nacht zum 5. Juni, dem Eröffnungstag des ONK 2020, wurden in der Neuköllner Wildenbruchstraße Wohnhäuser und Gewerbe mit NS-Symbolen rechtsextrem markiert. Und die Serie reißt nicht ab. In der Nacht zum 19. Juni kam es zu einer weiteren, sich wiederholenden Markierungen in direkter Nachbarschaft. Auch ein Lieferwagen brannte vollständig aus.
Unter den besonderen Bedingungen im Zeichen der Pandemie stellten die Organisator_innen dennoch auch in diesem Jahr ein beeindruckendes Programm auf die Beine. Die meisten Veranstaltungen wurden ins Netz verlegt. Einzelne Programmpunkte konnten unter Auflagen auch im analogen Raum stattfinden. In Rudow veranstaltete die Initiative Rudow empört sich! einen Spaziergang mit dem Titel „Rudow schöner machen“ und entfernte Nazis-Schmierereien im Kiez. Berlin gegen Nazis begleitete die Tour mit einem Live-Ticker.
Das Festival Offenes Neukölln war auch 2020 ein voller Erfolg. Es bleibt zu hoffen, dass die Veranstalter_innen in den folgenden Jahren an ihrem gemeinsamen Ausdruck einer lebendigen und offenen Zivilgesellschaft festhalten. Berlin gegen Nazis bleibt weiter an der Seite derjenigen, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus positionieren und begleitet und dokumentiert die solidarischen Aktivitäten im Kiez. Aktuelle Informationen finden sich auch auf der Homepage des Festival Offenes Neukölln.