Foto: Florian Boillot/Berlin gegen Nazis, 23.05.2020

Versammlungsverbot am 31.12./01.01. & Verbot verschwörungs-ideologische Versammlungen am 30.12.

Update 3 +++ 30.12./31.12.2020, Berlin-Mitte - Seit September ist zum dritten Mal nach dem 1. August und dem 29. August eine große verschwörungsideologische Kundgebung am 31.12. auf der Straße des 17. Juni angemeldet. Ebenso wie ein Ausweichtermin am 30.12. ist diese Anmeldungen verboten. Am 30.12. wird es eine Positionierung von Berliner_innen an der Volksbühne gegen Verschwörungsideologien geben.

(Stand der Informationen – 30.12.2020)

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR hat für Belltower News das Jahr 2020 in Berlin zusammengefasst. Ein Schwerpunkt bildeten die verschwörungsideologischen Versammlungen in Mitte. Einige Zitate:

Bereits im März 2020 begannen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz sog. „Hygiene-Demos“ gegen die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie, die aufgrund der zu dieser Zeit geltenden Versammlungsverbote zwar bis zuletzt untersagt waren, jedoch schnell eine überregionale Strahlkraft entwickelten und die als eine der Initialaktionen der späteren bundesweiten Corona-Proteste gewertet werden müssen. (…)

Im Mai 2020 kam es in Berlin bei den „Hygiene-Demos“ erstmals zu größeren Auseinandersetzungen von Teilnehmenden mit der Polizei, gleichzeitig war eine Aufteilung auf verschiedene Veranstaltungen in diesem Milieu zu beobachten (vgl. rbb). Bei diesen Auseinandersetzungen wurde auch in Berlin eine Beteiligung rechtsextremer Hooligans sichtbar. Die Gruppe KDW, die auch unter dem Label „nicht ohne uns“ agiert, mobilisierte nicht nur zu den eigenen Veranstaltungen, sondern unternahm bereits früh den Versuch, bundesweit Proteste lokaler Ableger zu initiieren. Mit der Etablierung des Labels „Querdenken“ und der dahinterstehenden Organisationsstruktur scheiterten diese Bestrebungen aus Berlin allerdings. Die Akteur*innen rund um die Gruppe KDW büßten ihre Strahlkraft ein und radikalisierten sich zunehmend. Es lässt sich am Ende des Jahres 2020 festhalten, dass die Berliner Strukturen aus dem Spektrum der Pandemie-Leugner*innen ohne die Beteiligung auswärtiger Akteur*innen selten eine dreistellige Zahl an Teilnehmenden zu ihren Aktionen mobilisieren konnten.

Belltower News, 28.12.2020

Positionierung, Resolution, Gegenproteste

Seit dem Frühjahr protestieren nahezu alle zivilgesellschaftlichen Intiativen und Bündnisse der Stadt gegen große und kleine verschwörungsideologische Versammlungen. Berlin gegen Nazis hat eine zweiteiligen Dokumentation unter dem Motto „Abstand halten gegen Rechts“ zu diesem wichtigen Engagement gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien veröffentlicht ( Teil 1 / Teil 2)

Auch im Vorfeld des 31.12.2020 hat sich eine breite zivilgesellschaftliche Vernetzung mit einer Resolution gegen die verschwörungsideologische Anmeldung positioniert und einen verantwortungsbewussten und solidarischen Gegenprotest für den 31.12. am Rosa-Luxemburg-Platz geplant, der nun verboten ist. Daher wurden mehrere Gegenproteste für den 30.12. angemeldet.

In der Resolution „Die Risikogruppe heißt Querdenker! Silvester in Berlin – kein Platz für Nazis, Antisemitismus und Rassismus! Gesund und solidarisch ins neue Jahr!, die u.a. von der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist_innen, den Berliner Omas gegen Rechts, den Bündnissen Aufstehen gegen Rassismus und dem Berliner Bündnis gegen Rechts, sowie vielen weiteren Initiativen unterzeichnet wurde, heißt es:

Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist legitim – gemeinsam mit Neonazis und Rassist:innen zu marschieren ist es nicht.Auch in der Pandemie das Recht auf Versammlungsfreiheit einzufordern, ist richtig und wichtig. Dabei den Holocaust zu relativieren, gehört energisch unterbunden – Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

(…)

Deshalb wollen wir auch an Silvester und unter den Bedingungen der Pandemie ein klares, sichtbares und unübersehbares Zeichen setzen:

* für eine solidarische, offene Gesellschaft* gegen die neue rechte Straßenbewegung

* in Solidarität mit den Gesundheitsarbeiter:innen, den Menschen in den Heimen, den Geflüchteten, die auch in der Pandemie abgeschoben werden sollen, den Kulturschaffenden sowie den vielen unter prekären Bedingungen arbeitenden und lebenden Menschen

* und in Solidarität mit all jenen, die der Staat und die Gesellschaft alleine lassen.

Eine Gegenprotestkundgebung mit Abstand und MNS aus diesem Bündnis wird am 30.12. um 14.30 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz stattfinden.

Außerdem wird es am 30.12. erneut einen reptiloiden Fahrradkorso der Engagierten um die Bergpartei geben, welche seit April ohne Pause Gegenproteste gegen die verschwörungsideologischen Versammlungen organisieren. Der Korso wird ebenfalls um 14.30 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz starten.

Ebenfalls am Rosa-Luxemburg-Platz wird eine linke Demonstration, sie sich für mehr Solidarität 2021 und gegen Verschwörungsideologien ausspricht enden, die um 14 Uhr im Wedding (Nettelbeckplatz) startet.

Situation nach dem allgemeinen Versammlungsverbot 31.12./01.01.

Das beim Bund-Länder-Gipfel vereinbarte Versammlungsverbot für den 31.12.2020 + 01.01.2021 ist für Berlin seit dem 16.12. umgesetzt. In der neuesten Version der Berliner Infektionsschutzverordnung regelt §26 diese temporäre Grundrechtseinschränkung.

Die erneute verschwörungsideologische Kundgebung auf der Straße des 17. Juni am 31.12.2020, angemeldet mit 22.500 Personen als Wiederholung des 01.+ 29. August mit bundesweiter Anreise, ist verboten. Die Organisatoren der verschwörungsideologischen Kundgebung verzichteten, trotz ersten Ankündigungen darauf gegen den Verbotsbescheid zu klagen. Querdenken 711 hat an Weihnachten eine Winterpause verkündet und dazu aufgerufen Silvester nicht nach Berlin zu fahren und auch das Versammlungsverbot am 30.12. hinzunehmen. Wie schon während der Aussetzung des Versammlungsrechtes im März und April, kann es am 31.12. trotz Versammlungsverbot unangemeldeten verschwörungsideologischen Ansammlungen in Berlin-Mitte kommen.

Mit dem allgemeinen Verbot aller Versammlungen ist auch die geplante Gegenprotestkundgebung am 31.12. mit MNS und Abstand verboten. Ein begründetes Verbot nur der verschwörungsideologischen Anmeldung auf der Straße des 17. Juni am 31.12. – wie in den letzten Wochen bei vergleichbaren Anmeldungen in Bremen, Dresden und Frankfurt – wäre ein möglicher Weg gewesen, die verantwortungsvollen Gegenproteste zu ermöglichen. Direkte Positionierungen von Engagierten gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien werden am 31.12. im öffentlichen Raum fehlen. Diese sind jedoch entscheidend für die Verteidigung der demokratischen Kultur der Stadt.

Verbot Ausweichanmeldung 30.12. /Gegenprotest

Seit dem 17.12. ist eine Ausweichanmeldung für eine nahezu identische verschwörungsideologische Kundgebung am 30.12. auf der Straße des 17. Juni bekannt. Die Anmeldung wurde seit dem 22.12. von den Berliner Organisator_innen der verschwörungsideologischen Versammlungen alternativ zum 31.12. beworben. An diesem Tag besteht kein allgemeines Versammlungsverbot. Ein spezifisches Verbot der Ausweichanmeldung wurde durch die Versammlungsbehörde am 23.12. verfügt. Auch hier beschreiten die Anmelder_innen den Rechtsweg offenbar nicht.

An der Volksbühne positionieren sich am 30.12. hingegen viele Bündnisse und Initiativen gegen Verschwörungsideologien, Rechtsextremismus und Antisemitismus und setzen damit ein wichtiges solidarisches Zeichen der Berliner Stadtgesellschaft.

Einschätzung der verschwörungsideologischen Kundgebung

In einer aktualisierten Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR zu den verschwörungsideologischen Versammlungen am Jahresende in Berlin heißt es u.a.:

Die aus dem Spektrum von „Querdenken“ geplanten Versammlungen am 30. und 31. Dezember werden beide nicht mehr beworben. Die Versammlung zum Jahreswechsel war bereits durch die aktuelle Berliner Corona-Verordnung verboten worden, die geplante Ersatzveranstaltung am Vortag, dem 30. Dezember, wurde durch die Polizei mit Verfügung vom 23. Dezember 2020 untersagt. (1) Sowohl „Querdenken-711“-Initiator Michael Ballweg, die lokalen Berliner Organisator_innen von „Querdenken-30“ als auch die Busanreise-Initiative „Honk for Hope“ kündigten in Videobotschaften an, die Verbote zu akzeptieren und nicht dagegen vorgehen zu wollen. Gleichzeitig befürworten sie jedoch eventuelle Aktionen von anderen, wollen sich dann jedoch selbst nicht organisatorisch einbringen.

In diesem Kontext muss eine kürzlich als „Pilgerwanderung für Frieden, Gemeinschaft, Liebe“ angekündigte Aktion für den 30. Dezember gesehen werden, die offenkundig unter dem Deckmantel einer religiösen Veranstaltung als Ersatzversammlung dienen sollte und in entsprechenden Kreisen in sozialen Netzwerken beworben wurde. Diese wurde jedoch mittlerweile von Veranstalter_innenseite abgesagt.

Einzelne Aufrufe in Sozialen Medien, den Beginn der Impfungen für Aktionen zu nutzen, blieben bisher ohne Resonanz. Auch die noch vor den Weihnachtsfeiertagen angekündigten und durchgeführten Veranstaltungen aus dem verschwörungsideologischen Milieu blieben hinter den Erwartungen der Organisator_innen zurück und dürften keine mobilisierenden Faktoren für eventuelle kurzfristig angekündigte Ersatzveranstaltungen zum Jahreswechsel darstellen. Zwar können weiterhin kleinere Aktionen von Einzelnen, unabhängig davon ob sie angemeldet sind, grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, da einige Berliner Protagonisten in den vergangenen Monaten mehrfach mit Flashmob-artigen Aktivitäten aufgefallen waren. Eine öffentliche Mobilisierung nach Berlin ist jedoch nicht mehr festzustellen und damit sind größere Ansammlungen mittlerweile unwahrscheinlich.

[…]

Unabhängig von der Größe der zu erwartenden Menschenmenge, die auch bei bestehendem Verbot im Regierungsviertel in und um den Tiergarten zusammenkommen wird, besteht die allgemeine Gefahr gewalttätiger Übergriffe auf Personen, die als Gegner_innen verstanden werden. Darunter fallen Maskenträger_innen, Journalist_innen, Polizist_innen und andere.

MBR BERLIN 29.12.2020

Routen und Kundgebungsorte

(Stand Anmeldungen 30.12.2020 10.00 Uhr)

30.12.2020

  • 14.30 Uhr Gegenprotest, Kundgebung, Rosa-Luxemburg-Platz, „Solidarisch ins neue Jahr“
  • 14.30 Uhr Gegenprotest, Reptiloider Fahrradkorso, Start Rosa-Luxemburg Platz durch Mitte in den Tiergarten und zurück
  • +++ VERBOTEN (Stand 23.12.2020) +++ 15.00 – 23.59 Uhr verschwörungsideologische Kundgebung, angemeldet mit 22.500 Personen, Straße des 17. Juni (Platz des 18. März bis Ernst-Reuter-Platz)
  • 15.00 Uhr Gegenprotest, Platz der Republik, „Das Jahr der Echse“
  • +++ ABGESAGT+++ (Stand 28.12./16.30 Uhr)+++ 15.30-18.30 Uhr wahrscheinlich verschwörungsideologische Demonstration „Feuerwerk der Gefühle – vom Jahr der Rebellion zum Jahr der Freiheit“,
  • +++ FINDET NICHT STATT (Stand 30.12/ 10.00 Uhr)+++ 18.00-22.00 Uhr Gegenprotest-Demonstration „Ohne Verschwörungserzählungen ins Neue Jahr“ vom Adenauerplatz zum Alexanderplatz

+++NICHT ANGEMELDET+++ (Stand 30.12./10.00 Uhr) 19.00- 03:00 Uhr verschwörungsideologische Veranstaltung, „Pilgerwanderung“, angemeldet mit 250 Personen, Route: Brandenburger Tor, Straße des 17.Juni, Siegessäule (mehrere Runden)/ bzw. abweichender Ort Unter den Linden (Höhe Adlon)

-> Diese ursprüngliche Anmeldung für eine politische Versammlung wurde von der Versammlungsbehörde als religiöse Veranstaltung gewertet. Beim zuständigen Bezirksamt ist nach unseren Informationen kein Antrag auf Sondernutzung gestellt worden, daher gibt es keine genehmigte religiöse Veranstaltung

  • vereinzelte Aufrufe zu verschwörungsideologischen Versammlungen ohne Anmeldung

31.12.2021

  • 15.00 Uhr +++ VERBOTEN (Stand 16.12.2020)+++ Gegenprotest, Rosa-Luxemburg-Platz, „Solidarisch ins neue Jahr“
  • 15.30 – 01.00 Uhr +++ VERBOTEN (Stand 16.12.2020)+++ verschwörungsideologische Kundgebung, angemeldet mit 22.500 Personen, Straße des 17. Juni (Platz des 18. März bis Salzufer)
  • vereinzelte Aufrufe zu verschwörungsideologischen Versammlungen ohne Anmeldung

Änderungen sind möglich. Aktuelle Informationen auch auf Twitter unter den Hashtags #b3012 #b3112