Foto: Florian Boillot/Berlin gegen Nazis, 23.05.2020

Dokumentation: Abstand halten gegen Rechts – Positionierungen und Proteste 2020 Teil 1

Von April bis Juni positionierten sich Anwohner_innen, Organsiationen, Initiativen und Bündnisse mit Bannern Aktionen und Kundgebungen gegen rechtsoffene, verschwörungsideologische Versammlungen von Berliner Gruppierungen am Rosa-Luxemburg-Platz und Umgebung. Wir dokumentieren das tolle Engagement unter Pandemiebedingungen. Teil 1 - Beitragsfoto: Florian Boillot/Berlin gegen Nazis, 23.05.2020

Am 25. April kam es zur ersten starken Positionierung gegen die Ende März gestarteten und schnell anwachsenden rechtsoffenen Versammlung am Rosa-Luxemburg-Platz. Anwohner_innen am Platz, die Volksbühne Berlin gemeinsam mit Unteilbar, sowie Galerien zeigten ihre Ablehnung unter den Mottos #rosaluxantwortet und #wirsindnichteurekulisse. Die Volksbühne verhüllte ihre Schriftzug.

Das Versammlungsrecht war aufgrund der staatlichen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung sehr stark eingeschränkt. Dennoch versammelten sich zu diesem Zeitpunkt wöchentlich ohne Anmeldung um die 1000 Personen am Rosa-Luxemburg-Platz, darunter viele Rechtsextreme.

Die Positionierungen der Volksbühne Berlin und der Anwohner_innen wiederholten sich an mehreren Wochenenden. Am 8. und 9. Mai waren die Aktionen in die Glänzenden Aktionstage von Die Vielen zum 75. Jahrestag der Befreiung eingebunden. Im Verlauf des Jahres 2020 positionierte sich die Volksbühne noch mehrfach – immer dann, wenn verschwörungsideologische Gruppierungen den Rosa-Luxemburg-Platz erneut ansteuerten.

Noch bevor Anwohner_innen und Volksbühne sich positionierten, gab es Mitte April erste, kleine Gegenproteste von linken Initiativen. Sobald die zunächst bestehenden Einschränkungen des Versammlungsrechtes gelockert wurden, bildete sich daraus ein Bündnis von Initiativen, Parteien, Jugendorganisationen und vielen weiteren Organisationen, wie Aufstehen gegen Rassismus um die Bergpartei. Unter dem Motto #reclaimrosaluxemburgplatz wurden jeweils mehrere Kundgebungen vor der Volksbühne und am benachbarten Schendelpark angemeldeten. Diese kreativen Gegenproteste unter Pandemiebedingungen waren klein, aber sehr erfolgreich. Schnell entwickelte sich auch ein humoristisches Protestformat: In Anlehnung an eine Verschwörungserzählung, nach der außerirdische Reptilien die Welt beherrschen, formierte sich ein reptiloider Gegenprotest in Echsenkostümen.

Mitte Mai mussten die rechtsoffenen Versammlungen sich neue Orte suchen, da der Rosa-Luxemburg-Platz durch diese Gegenproteste belegt war. Die verschwörungsideologischen Gruppierungen verloren damit einen, räumlich begrenzten, städtischen Platz in einem Wohnviertel mit symbolhafter Kulisse. Bis in den Dezember protestieren Engagierte berlinweit als Echsen/ Reptiloide mit Fahrradkorsos, kleinen Kundgebungen und Performances an fast jedem Wochenende gegen die verschwörungsideologischen Versammlungen.

Am 9. Mai scheiterte ein Versuch der verschwörungsideologischen Versammlungsteilnehmer_innen den Rosa-Luxemburg-Platz zu erreichen. Daraufhin versammelten sich 1000 Teilnehmende am Alexanderplatz. Unter den Anwesenden war eine große Gruppe sehr aggressiver rechtsextremer Hooligans. Unter Sprechchören wie „Volksverräter“, „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“ Rufen kam es auf dem Alexanderplatz zu Ausschreitungen gegen die Polizei. In den Folgewochen gab es immer wieder Versuche, die rechtsoffenen Versammlungen auf dem Alexanderplatz zu etablieren oder auch zum Rosa-Luxemburg-Platz zurückzukehren.

Gegenproteste von mittlerweile nahezu allen Berliner Bündnissen und Initiativen gegen Rechtsextremismus, wie dem Berliner Bündnis gegen Rechts und Reclaim Club Culture, aber auch spontanen Zusammenschlüssen weiterer Anwohner_innen, z.B. aus der Memhardtstraße, ließen diese Versuche aber scheitern. Die Berliner verschwörungsideologischen Gruppierungen versuchten ihre Versammlungen nun im Regierungsviertel und Unter den Linden durchzuführen. Im Juni ebbten diese jedoch ab, da die weitläufigen Orte keinen wirklichen Ankerpunkt für die Versammlungen boten.

Anfang Mai veröffentlichte die Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts aus dem Torstraßenkiez einen mehrsprachigen Flyer. Darin hielten sie Informationen über die rechtsoffenen Versammlungen bereit und regten die Nachbarschaften in Mitte zur Positionierung an. Darin nutzte die Anwohner*inneninitative erstmalig ihr Motto „Abstand halten gegen Rechts“. In den folgenden Monaten wurde dieses Motto zur Grundlage vieler Proteste in Berlin und darüber hinaus. Es erfasst die organisatorischen Schwierigkeit der Gegenproteste unter Pandemiebedingungen genauso, wie die notwendige Positionierung gegen die rechtsoffenen Versammlungen.

Am 23. Mai wurde #ABSTANDHALTENGEGENRECHTS auf dem Rosa-Luxemburg-Platz mit ca. 100 Vertreter_innen von Initiativen und Bündnissen in einer Positionierungsperformance in die Tat umgesetzt. Gemeinsam mit dem Ensemble der Volksbühne Berlin, der Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts, dem DGB Berlin-Brandenburg, Die Vielen, den Berliner Omas gegen Rechts, der Berliner VVN-B.d.A und dem Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin kam es zu einer erfolgreichen Positionierung. Die Anwesenden standen auch stellvertretend für alle, die #Abstandhaltengegenrechts in ihrem Alltag praktizieren. Die Volksbühne positionierte sich zudem mit neuen Bannern und den klaren Aussagen: „Kein Platz für Antisemitismus“ und „Kein Platz für Verschwörungsideologien“.

Am 06. Juni positionierte sich auch die Akademie der Künste gemeinsam mit Die Vielen gegen einen Versuch verschiedener Berliner Gruppierungen größere verschwörungsideologische Versammlungen im Regierungsviertel zu etablieren. Dabei kam es zur Zusammenarbeit bzw. einem Nebeneinander ohne Abgrenzung von rechtsoffenen Gruppen, Reichsbürgern und Rechtsextremen. Die Akademie der Künste nutzte für ihre Positionierung das „GEGEN RECHTS“ Banner der Volksbühne vom 23. Mai.

Teil 2 dieser Dokumentation finden sich hier.