Reichsbürger und rechtsoffene Versammlungen in Berlin

Samstag, 11.07.2020, Berlin: Am Samstag kommt es erneut zu rechtsoffenen Versammlungen in Mitte und Prenzlauer Berg. Am Platz der Republik ist eine Kundgebung aus dem Reichsbürgerspektrum angemeldet. Am Lustgarten gibt es den dritten Samstag in Folge Gegenprotest zur Abschlusskundgebung eines verschwörungsideologischen Autokorsos.

Kundgebung von Reichsbürgern am Platz der Republik

Bereits seit Ende 2018 wird aus dem Reichsbürgerspektrum und von Rechtsextremen regelmäßig zu sogenannten „Großmobilisierungen“ in Berlin-Mitte und dem Regierungsviertel aufgerufen. Im Februar haben an diesen Versammlungen etwa 50 bis 100 Personen teilgenommen. Mit den rechtsoffenen Protesten gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Coronapandemie, hat sich jedoch eine neue Dynamik ergeben, die sich auf die Teilnehmendenzahl dieser Veranstaltung auswirken könnte. Die Organisatoren aus dem Reichsbürgerspektrum konnten am 09. Mai erstmals mehrere 100 Personen auf der Reichstagswiese zählen. In einer Einschätzung der Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin MBR aus dem November 2019 ist der zu erwartende Charakter der Reichsbürgerkundgebung beschrieben.

Rechtsoffene Kundgebung und ein verschwörungsideologischer Autokorso

Die Dynamik der Mobilisierung zu rechtsoffenen Versammlungen in Berlin-Mitte hat seit Mitte Mai abgenommen. Trotzdem gibt es an diesem Samstag erneut Anmeldungen für eine rechtsoffene Kundgebung im Mauerpark und einen verschwörungsideologischen Autokorso vom Olympiastadion zum Lustgarten. In den Vorwochen beteiligten auch Rechtsextreme an diesen Versammlungen und dominierten diese teilweise.

Gegenproteste organisiert durch ein breites Bündnis und Positionierungen von Anwohner_innen und anliegenden Institutionen, wie der Volksbühne und Galerien seit Mitte April, haben die rechtsoffenen Versammlungen von ihrem Ursprungsort am Rosa-Luxemburg-Platz verdrängt. Seither versuchen die verschiedenen Organisatoren der rechtsoffenen Versammlungen neue Orte zu etablieren. Dies waren unter anderem der Alexanderplatz und der Mauerpark, wo ebenfalls starke Proteste gegen diese Versuche stattfanden. Nach mehreren Wochen mit rechtsoffenen Versammlungen im Regierungsviertel und am Alexanderplatz gibt es an diesem Samstag erstmals nur eine Anmeldung zu einer rechtsoffenen Kundgebung. Diese soll erneut im Mauerpark stattfinden. Die umfangreichen Gegenproteste und Positionierungen in der Vergangenheit gegen diese Versammlungen sind exemplarisch im Berlin gegen Nazis Artikel zum Pfingstwochenende nachlesbar.

Gegenkundgebung vor dem Alten Museum am 04.07.20

Bereits vor drei Wochen kam es zu einer Positionierung der Staatlichen Museen zu Berlin gegen die davor seit vielen Wochen vor dem Alten Museum abgehaltenen verschwörungsideologischen Kundgebungen. An diesem Samstag findetzudem zum dritten Mal eine angemeldete Gegenkundgebung (Facebook-Link) im Lustgarten statt. Neben den Künstler_innen Die Vielen beteiligt sich daran u.a. auch die Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts. In den vergangenen zwei Wochen wählte der verschwörungsideologische Autokorso kurzfristig als neues Ziel die Messe Berlin bzw. den Hauptbahnhof. Die Messe Berlin hat sich umgehend und deutlich am Tag der verschwörungsideologischen Kundgebung selbst durch ein Statement auf Twitter von deren Inhalten distanziert und damit erfolgreich positioniert. Aktuell wird erneut in den Lustgarten mobilisiert. Änderungen sind möglich.

In einer Einschätzung zu den rechtsoffenen Versammlungen vom 05. Juni schreibt die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin MBR folgendes:

KDW [Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand] mobilisierte seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie jeden Samstag zu unangemeldeten Kundgebungen, sogenannten „Hygienedemos“ auf den Rosa-Luxemburg-Platz, die sich äußerlich gegen die Einschränkungen im Zuge der Eindämmungsmaßnahmen richteten. Schon damals bezog sich die Initiative auf Darstellungen diverser sogenannter „Alternativmedien“, die Verschwörungserzählungen zum Coronavirus verbreiteten. Ebenso hatten die Proteste von Beginn an einen rechtsoffenen Charakter, da rechtsextreme Personen und entsprechende Äußerungen ohne Widerspruch der übrigen Teilnehmenden akzeptiert wurden.

In den vergangenen Wochen bildete sich ein verschwörungsideologisch geprägtes Milieu von Corona-Leugner_innen heraus, dass sich zunehmend von den Aktionen des KDW am Rosa-Luxemburg-Platz loslöste. Reichweitenstarke Einzelpersonen, neue Labels wie „Corona Rebellen“ oder „Widerstand 2020“ sowie anonyme Accounts in Sozialen Medien verbreiteten zunehmend eigene Aufrufe bzw. organisierten eigene Veranstaltungen. Dabei war in den letzten Wochenenden neben sinkenden Teilnehmer_innenzahlen auch eine Zersplitterung der Proteste sowie eine Zunahme gewaltbereiter Rechtsextremer und ein insgesamt aggressives Auftreten der Teilnehmenden zu beobachten.

MBR 05.06.20

Übersicht der Kundgebungen und Demonstrationen am 11.07.20 in Berlin

Rechtsoffene, verschwörungsideologische und Reichsbürger Versammlungen

13.00-17.00 Uhr: Verschwörungsideologischer Autokorso, Route: Olympiastadion, Olympische Straße, Reichsstraße, Theodor-Heuss-Platz, Masurenallee, Tauentzienstraße, Kleiststraße, Bülowstraße, Potsdamer Straße, Schöneberger Ufer, Tempelhofer Ufer, Waterloo Ufer, Gitschiner Straße, Skalitzer Straße, Oberbaumstraße, Falckensteinsteinstraße, Oberbaumbrücke, Warschauerstraße, Petersburger Straße, Danziger Straße, Eberswalder Straße, Bernauer Straße, Brunnenstraße, Badstraße, Exerzierstraße Berlin, Schulstraße, Luxemburger Straße, Foerer Straße, An-der-Putzlitzbrücke, Stromstraße, Lessingstraße, Bachstraße, Straße des 17. Juni, Ernst-Reuter-Platz, Straße des 17. Juni, Großer Stern, Hofjägerallee, Klingelhoferstraße, Lützowufer, Schöneberger Ufer, Potsdamer Straße, Potsdamer Platz, Leipziger Platz, Leipziger Straße, Friedrichstraße, Unter den Linden, Schlossplatz, Abschlusskundgebung: Lustgarten

11.00 – 21.00 Uhr: Reichsbürger-Kundgebung, Platz der Republik

15.00 – 18.30 Uhr: Rechtsoffene Kundgebung, Mauerpark

Black lives Matter Proteste, Positionierungen, Gegenprotest

11.00 – 13.00 Uhr, „Walk the talk. Solidarität mit den schwarzen Menschen in den USA in ihrem Streben nach sozialer Gerechtigkeit“, Start: Dennewitzplatz (Schöneberg), Abschlusskundgebung Platz des 18. März

14.30 – 16.30 Uhr, „Für Weltoffenheit und demokratische Werte. Wir wollen keinen Raum bieten für Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Hetze.“, Am Lustgarten

15 Uhr, „Kennst du das Land, wo die Faschisten blühn“  Zum 86. Todestag von Erich Mühsam, Erich-Mühsam-Gedenkstein, Dörchläuchtingstraße

Änderungen sind möglich. Aktuelle Informationen auch auf Twitter unter dem Hashtag #b1107.