Es sollte der erste Aufmarsch der rechtsextremen Partei seit vielen Jahren und damit auch seit der Umbenennung im Jahr 2023 werden. In der Zwischenzeit fiel sie lediglich durch Veranstaltungen wie rechtsextreme Konzerte in ihrer Bundesparteizentrale in Köpenick auf. Doch anstatt ein Zeichen der Wiederbelebung der fast bedeutungslosen Partei (Berliner Ergebnis bei der letzten Europawahl: 0,1%) oder ein Zeichen von vermeintlicher Stärke der Allianz mit der DJV zu setzen, kann der Tag aus Sicht der Rechtsextremen nur als ernüchternder Misserfolg gewertet werden: Der Marsch mit knapp 150 Teilnehmenden blieb praktisch wirkungslos – weil sich ihm ein viel breiterer Gegenprotest aus aus Initiativen und Bündnissen der Berliner Zivilgesellschaft sowie aus engagierten Einzelpersonen entschlossen entgegenstellte.
Die Rechtsextremen planten eine Aufmarsch-Route mit Beginn um 13:00 Uhr am Berliner Dom / Lustgarten, die weiter über die Straße Unter den Linden, Werderscher Markt und Friedrichstraße bis zum S-Bahnhof Friedrichstraße führen sollte. Sie mobilisierten öffentlich gegen vermeintliche „Kriminalität“, „Betrüger“, „Hütchenspieler“ – die klare Stoßrichtung: Hetze gegen Sinti*zze, Rom*nja und migrantische Communities.
1.200+ Berliner*innen positionieren sich dagegen
Doch die Rechnung der kleinen Gruppe Rechtsextremer ging nicht auf: Bereits früh mobilisierte ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, antifaschistischen Initiativen und Einzelpersonen zu Gegenprotesten.
Dazu zählte beispielsweise die Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage gegen rechts aus Mitte, deren Motto „Den Nazis keine Mitte“ den Tag über Programm war. Wie immer standen aber auch die Omas gegen Rechts aktiv im Widerspruch zum Versuch rechtsextremer Raumnahme und brachten viele Menschen auf die Straße!

Foto: Berlin gegen Nazis
Drei angemeldete Kundgebungen an der Route der Rechtsextremen – am Lustgarten, Unter den Linden auf Höhe des Zeughauses und an der Ecke Friedrichstraße – waren Anlaufstellen für engagierte Berliner*innen. Im Verlauf des Nachmittags wuchs der Protest deutlich: Es kamen rund 1.200 Menschen im Bereich der Museumsinsel/Schlossbrücke zusammen und begegneten dem Aufmarsch mit lautstarken Rufen wie „Nazis raus“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Angesichts des dichten Gegenprotests, sah die Polizei es als „unverhältnismäßig“ an, ihn weiterziehen zu lassen.

Foto: Berlin gegen Nazis
Der Aufmarsch, der sich nicht nur verspätet in Bewegung setzte, sondern auch kaum vom Fleck kam, wurde letztlich de facto aufgelöst. Nachdem die Rechtsextremen aufgrund des dichten Gegenprotests circa eineinhalb Stunden auf der Schlossbrücke ausharren mussten, endete ihre Versammlung als Kundgebung.
Botschaften und Symbolik der Rechten – an diesem Tag kaum Reichweite
Die gemeinsame Mobilisierung mit der DJV und im späteren Verlauf auch mit den Jungen Nationalisten (JN) – der Jugendorganisation der „Heimat“ – unterstrich die Bemühung des Berliner Ablegers der „Heimat“, rechtsextreme Jugendliche an sich zu binden. Sie verfügt in der Hauptstadt über keine JN-Struktur.
Während „Die Heimat“ auf den Aufmärschen der aktionsorientierten jungen Rechtsextremen Anfang des Jahres noch keine Rolle spielte, trat sie vereinzelt bei Gegenmobilisierungen während der CSD-Saison in Erscheinung. Auch jenseits des Aufmarsch-Geschehens ist seit diesem Sommer eine Annäherung von „Heimat“ und „DJV“ zu beobachten, unter anderem durch gemeinsame Treffen in der Parteizentrale im Bezirk Treptow-Köpenick. Anfang September „patrouillierte“ ein Protagonist der „Heimat“ mit DJV-Mitgliedern im Berliner Regierungsviertel, um vermeintliche „Klemmbrett-Betrüger“ anzusprechen. Bei der Annäherung geht es auch um Wissenstransfer zwischen den erfahrenden Kadern und jungen Aktivist*innen – der Altersdurchschnitt am vergangenen Samstag wirkte im Vergleich zu vorherigen Aufmärschen der rechtsextremen Jugendgruppen leicht erhöht.
Die Mobilisierung durch „Die Heimat“, DJV und weitere rechtsextreme Jugendgruppen aus Berlin und anderen Regionen knüpft an diese Hetze an und zielt auf Angst vor „Überfremdung“, „Kriminalität“ und einer angeblichen Bedrohung durch „Ausländer“ mit konkreter Diffamierung von Sinti*zze und Rom*nja – klare Versatzstücke rechtsextremer, rassistischer Propaganda. Die Teilnehmer*innen des Aufmarsches trugen Transparente mit Slogans wie „Haustür zu! Grenzen dicht!“ oder „Für Sicherheit und Ordnung. Keine Toleranz für kriminelle Ausländer“. Teilnehmende der rechtsextremen Versammlung beleidigten Umstehende rassistisch. Laut Polizeibericht kam es aufgrund des Verdachts auf Verwendung verbotener Symbole vorübergehend zu Festnahmen.

Foto: Presseservice Rathenow
Die Reden, die Bildsprache und die Hetze des schwunglosen Aufmarschs verhallten jedoch inmitten massiver Gegenbewegung. Die Stimmen der Zivilgesellschaft waren lauter und machten deutlich: In Berlin ist kein ruhiger Ort für rassistische Hetze und auch Mitte bietet dafür keine Kulisse.
Was der Tag zeigt
Zivilgesellschaft ist aktiv: Der Protest am 29. November zeigt, dass ein breites Spektrum aus Initiativen, Aktivist*innen und engagierten Bewohner*innen in Berlin jederzeit bereit ist, sich entschlossen gegen Rechtsextremismus zu stellen. Der kollektive Protest war wirksam – und das, obwohl vermutlich viele derer, sich sich sonst ebenfalls gegen Neonazis in Berlin stellen, in Gießen waren, um gegen die Neugründung der AfD-Jugend zu protestieren!
Rechtsextreme Mobilisierung bleibt klein: Trotz Social-Media-Aufrufen und dem Zusammenschluss klassischer Neonazi-Parteistrukturen mit rechtsextremen aktionsorientierten Jugendgruppen bliebt die Resonanz recht gering, der Versuch der rechtsextremen Raumnahme damit weitgehend wirkungslos.
Warum Haltung und Widerstand weiter nötig sind:Der 29. November war ein großer Erfolg der Berliner Zivilgesellschaft. Dennoch gilt weiter: Die rechtsextreme Szene in Berlin und Umland ist in Bewegung. Zu ihren Aktivitäten zählen die zahlreichen Aufmärsche, aber auch Propaganda, Beleidigungen bis hin zu tätlichen Übergriffen (hier der frisch erschienene Jahresbericht der Berliner Register 2024), sowie kleinere Aktionen wie Patrouillen oder auch digitale Raumnahme auf Social Media. Trotz durchwachsener Mobilisierungsbilanz und Konflikten zwischen den Gruppen, bleiben aktionsorientierte rechtsextreme Jugendgruppen eine ernstzunehmende Gefahr. Durch Angebote wie Anwärter*innentreffen und Freizeitaktivitäten versuchen sie, rechtsextreme Jugendkultur weiter zu organisieren.
Auf der Straße und abseits der Straßen: Das solidarische Berlin steht zusammen, bleibt aktiv und sichtbar.

Foto: Berlin gegen Nazis