Kurzüberblick am Ende des Artikels
Die Anwohner_innen, Initiativen und Bündnisse aus der Berliner Zivilgesellschaft reagieren mit ihren Kundgebungen auf zumeist unangemeldete Versammlungen aus dem verschwörungsideologischen und dem rechtsextremen Spektrum, die seit dem Jahresbeginn in allen Berliner Bezirken Zulauf haben. Diese Demonstrationen werden von den organisierenden Personen bundesweit und auch in Berlin als „Spaziergänge“ bezeichnet und damit bewusst entpolitisiert. Es ist die Kopie einer älteren Strategie von rechtsextremen Gruppierungen. Bereits die rechtsextremen Bärgida-Aufmärsche an Montagen von 2015-2020 in Berlin nutzten „Abendspaziergang“ als Motto und damit eine Selbstverharmlosungsstrategie übernommen von Pegida. Die Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Magdeburg erläutert in einem Beitrag aus dem Dezember warum dieser Begriff verwendet wird:
1. Es geht um die Ansprache von Menschen, die sich selbst als unpolitisch verstehen bzw. sich nicht im politischen Raum bewegen. Eine Teilnahme an „Spaziergängen“ ist für diese mit weniger Hürden verbunden als die Teilnahme an einer Demonstration.
2. Es geht darum, Spontanität und Agilität des Protests zu suggerieren: Scheinbar spontan kommen die Menschen aufgrund kurzfristiger Ankündigungen in den sozialen Netzwerken zu einem „Spaziergang“ zusammen. Vermittelt werden soll der Eindruck einer Massenrevolte.
3. Es geht um Selbstverharmlosung: Obwohl zumeist von Netzwerken der extremen Rechten organisiert und/oder inhaltlich von ihnen geprägt, vermittelt der Begriff „Spaziergang“ eine friedvolle Freizeitbeschäftigung.
4. Es geht um eine Anknüpfung an Wenderfahrungen und DDR-Opposition. Als „Spaziergang“ bezeichneten z.B. Umweltgruppen aus der DDR ihre Versuche, kollektiv auf die Verschmutzung von Flüssen aufmerksam zu machen.
Spaziergang: eine kleine politische Etymologie, Miteinander e.V., 21.12.2021
Gegenprotest-Chronik
Proteste von Anwohner_innen, Initiativen und Bündnissen gegen verschwörungsideologische „Montagsdemonstrationen“ gibt es in Berlin seit dem 20. Dezember 2021:
- 20.12.2021 Rathaus Pankow, Gethsemanekirche Prenzlauer Berg (Pankow)
- 27.12.2021 Gethsemanekirche Prenzlauer Berg (Pankow)
- 03.01.2022 Rathaus Pankow, Gethsemanekirche Prenzlauer Berg (Pankow), Rathaus Neukölln und Hermannplatz (Neukölln), Alexanderplatz und Unter den Linden (Mitte)
- 10.01.2022 Rathaus Pankow, Gethsemanekirche Prenzlauer Berg (Pankow), Rathaus Neukölln und Hermannplatz (Neukölln), Alexanderplatz (Mitte), Rathaus Köpenick (Treptow-Köpenick), Rathaus Hellersdorf (Marzahn-Hellersdorf)
- 17.01.2022 Rathaus Pankow, Gethsemanekirche, Prenzlauer Berg (Pankow), Rathaus Neukölln und Hermannplatz (Neukölln), Alexanderplatz, Rathaus Wedding (Mitte), Rathaus Köpenick (Treptow-Köpenick), Rathaus Tempelhof (Tempelhof-Schöneberg), Gorkistr./Berliner Str. Tegel (Reinickendorf)
- 24.01.2022 Rathaus Pankow, Gethsemanekirche, Prenzlauer Berg (Pankow), Rathaus Neukölln und Hermannplatz (Neukölln), Alexanderplatz, Unter den Linden, Rathaus Wedding (Mitte), Rathaus Köpenick (Treptow-Köpenick), Rathaus Tempelhof (Tempelhof-Schöneberg), Gorkistr./Berliner Str. Tegel (Reinickendorf), Rathaus Lichtenberg
Aktuelle Gegenproteste am 31.01.2022
Prenzlauer Berg (Pankow)
Die Initiative Gethsemanekiez – Gemeinsinn leben. Demokratische Werte schützen (Twitter, Instagram) wehrt sich mit wöchentlichen Kundgebungen vor der Gethsemanekirche in der Stargarder Straße seit dem 20.12.21 gegen die verschwörungsideologische Vereinnahmung des historischen Ortes und die Symbole der friedlichen Revolution in der DDR. Zugleich geht es der Initiative um Zusammenhalt im Kiez in der Covid-Pandemie. Die Initiative hat am 19.12.21 eine Erklärung verabschiedet, die wir hier dokumentieren.
Jede Kundgebung hat ein eigenes Motto, dazu gibt es z.B. Musik vom Posaunenchor der Kirchengemeinde. Am 20.12 wurde die Erklärung präsentiert, am 27.12. wurde den Menschen gedacht, die an Covid gestorben sind, am 03.01 wurden die Wünsche der Nachbarschaft für ein solidarisches 2022 eingesammelt. Am 10.01. berichtete eine Pfarrerin der Gemeinde über Störungen und Pöbeleien in den Kirchenräumen. Diese Kundgebung wurde zudem von der Anwohner_inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts aus Mitte unterstützt. Am 17.01. sprach der Kultursenator und stellv. Bürgermeister von Berlin Klaus Lederer und weitere Politiker_innen. Der 24.01. stand im Zeichen einer Rede des Bezirksbürgermeisters und eines Beitrages über die tatsächliche Diktatur in Belarus.
Hintergrund zu diesem Ort: Eines der zentralen Narrative der verschwörungsideologischen Versammlungen ist der angebliche Widerstand gegen eine „Corona-Diktatur“ häufig verbunden mit Verharmlosungen des Nationalsozialismus, mit dem die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-Pandemie verglichen werden. Von Beginn an gibt es aber auch Vergleiche mit der Endphase der DDR und dem eigenen Handeln als friedliche Demokratiebewegung oder Protagonist_innen einer erneuten „Wende“ wie 1989. Am 9. Mai 2020 etwa bestiegen einige Personen den Brunnen der Völkerfreundschaft auf dem Alexanderplatz und hissten eine Deutschlandfahne, um symbolisch an die Demonstrationen im Herbst 1989 am gleichen Ort anzuknüpfen. Zeitgleich kam es am 9. Mai 2020 aus der versammelten Menge um den Brunnen zu Angriffen von rechtsextremen Hooligans auf Polizeieinheiten. Die Gethsemanekirche als zentraler Ort der Oppositionsbewegung in der DDR und bis heute ein politischer Ort für Menschenrechte, hat entsprechende Anziehungskraft auf Personen und Gruppen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum insbesondere aus der direkten Nachbarschaft. Die Initiative Gethsemanekiez nimmt ihnen durch Kundgebungen vor der Kirche seit Wochen diesen symbolträchtigen Ort. Bekannte Personen, u.a. von der Gruppierung „Freedom Parade“ stören jede Woche die Kundgebung.
Pankow – Rathaus
Den ersten Gegenprotest vor einem Rathaus organisierten am 20.12.21 Anwohner_innen aus Pankow. Sie werden u.a. unterstützt von den Omas gegen Rechts Berlin, die seit 2020 durchgehend gegen verschwörungsideologische Versammlungen protestieren und viele zentrale Proteste mitorganisierten. Auch die Pankower VVN-BdA, die Jusos Pankow und die Initiative Geradedenken.kollektiv unterstützt am Rathaus. Die Omas gegen Rechts Berlin wiederum unterstützen auch bei anderen Kundgebungen mit Redebeiträgen oder ihre Anwesenheit.
Gemeinsam nehmen sie seit dem 03.01. an jedem Montag den unangemeldeten verschwörungsideologischen Demonstrationen erfolgreich das Ziel. Am 17.01. sprach der Bezirksbürgermeister Soeren Benn auf der Kundgebung. Mitte Januar haben sich die Organisierenden zum Bündnis Pankow Solidarisch zusammengeschlossen.
Alexanderplatz – Neukölln – Pankow
Das linke Geradedenken.kollektiv organisiert seit Herbst 2020 Kundgebungen und Raves, häufig inmitten von großen verschwörungsideologischen Versammlungen.Zuletzt am 26.01. am Pariser Platz. Geradedenken war maßgeblich an der erfolgreichen Startphase der Gegenproteste gegen die Montagsdemonstrationen beteiligt und unterstütze schon im Dezember am Rathaus Pankow die Anwohner_innen.
Am 03.Januar organisierten sie eine Kundgebung am Rathaus Neukölln und in Kooperation mit dem Reptiloiden Gegenprotest von „antiverschwurbelte aktion“ mehrere Kundgebungen entlang der Route des rechtsextremen Aufmarsches vom Alexanderplatz zu einem Berliner Medienhaus Unter den Linden. Am 10. /17. und 24. Januar folgten wöchentlich Geradedenken Kundgebungen am Hermannplatz, Unter den Linden und am Alexanderplatz. Am 24.01. wurde die Kundgebung von der SPD Mitte & den Jusos unterstützt. Geradedenken protestiert am 31.01. am Alexanderplatz und geht danach in eine verdiente Pause .Das Kollektiv unterstützt auch immer wieder andere Kundgebungen.
Reptiloide Proteste
„Antiverschwurbelte aktion“ ist ein linker Zusammenhang, der aus dem ersten Gegenprotestbündnis #reclaimrosaluxemburgplatz aus dem Frühjahr 2020 entstand und seither vielfältige, oft satirische Gegenproteste in Berlin, aber auch bundesweit organisiert. Nach der Kooperation mit Geradedenken am 3. Januar, tauchten immer wieder „Echsen“ bei montäglichen Gegenprotestkundgebungen auf. Am 31. Januar verbindet ein „Reptiloider Fahrradkorso“ der Initiative drei Gegenproteste und führt damit ein klassisches Aktionsformat der Jahre 2020 und 2021 durch.
Neukölln – Rathaus
Die vom Geradenken-Kollektiv am 3.01 gestarteten Proteste vor dem Rathaus Neukölln, werden seit dem 10.01 wöchentlich von unterschiedlichen Initiativen aus dem Bündnis Neukölln und aus dem Umfeld von Aufstehen gegen Rassismus weitergeführt. Eine Kooperation, wie schon beim Protest am 8. Januar am Hermannplatz gegen einen verschwörungsideologischen Autokorso.Das Bündnis Neukölln, ist ein breites Bezirksbündnis verschiedenster Organisation mit eigenem Leitbild und veranstaltet unter anderem das Festival Offenes Neukölln.
Köpenick – Rathaus
Den Auftakt der Proteste in Köpenick machte am 10.01 eine Gedenkkundgebung an die Toten der Covid-Pandemie im Bezirk mit ca. 75 Teilnehmenden im Luisenhain neben dem Rathaus. Organisiert vom Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick. Auf der Kundgebung sprach auch der Bezirksbürgermeister Oliver Igel.
Am 17. 01 übernahm ein neu entstehendes „Bündnis Menschenkette für Solidarität“ den Protest. Die Menschenkette stellte sich trotz Bedrohungen auch am 31.01. um das Rathaus.
Helene-Weigel-Platz – Marzahn-Hellersdorf
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf rief am 10.01. gemeinsam mit Anwohner_innen und antifaschistischen Initiativen zum Protest gegen die verschwörungsideologischen „Montagsdemonstrationen“ in Hellersdorf am Alice-Salomon-Platz auf. Dort sprach u.a. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.
Am 31.01. veranstaltet das Bündnis nun eine Gedenkkundgebung für die Opfer der COVID-Pandemie in Marzahn. Das Bündnis setzt sich aus unterschiedlichsten Vereinen, Parteien, Institutionen, Unternehmen, Initiativen und Gewerkschaften aus dem Bezirk zusammen, die sich für ein vielfältiges Marzahn-Hellersdorf einsetzen. Zum Jahresbeginn 2021 startete dieses Bündnis einen Aufruf gegen verschwörungsideologische Autokorsos, der kurz darauf in bezirksübergreifende Proteste mündete.
Reinickendorf – U Alt-Tegel/ Gorkistraße
Am 17.01. initiierte eine weitere Berliner Omas gegen Rechts Gruppe erstmalig einen Protest gegen die lokale verschwörungsideologische Demonstration. Ein toller Auftakt mit über 80 Teilnehmer_innen und ein wichtiger Zeichen des Widerspruchs.
Bereits seit Wochen nehmen mehrere hundert Personen an der angemeldeten „Montagsdemonstration“ durch Tegel teil. Am 17.01. waren es ca. 900. Mit Unterstützung von Anwohner_innen und von den Bezirks.- bzw. Kreisverbänden der Parteien setzten die Omas gegen Rechts Berlin der Demonstration eine ca. 50 Meter lange Menschenkette an der Gorkistr./Berliner Str. entgegen und machten ihren Widerspruch gegen Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus deutlich. Die 3. Kundgebung am 31.01 ist die erste des neuen Reinickendorfer Bündnis mit Omas gegen Rechts Berlin und den Bezirks.- bzw. Kreisverbänden der Parteien: Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen, SPD und FDP Reinickendorf.
Rathaus Wedding – Mitte
Seit dem 17.01. gibt es auch wöchentlich Proteste am Rathaus Wedding. neben Die Linke Wedding, ist auch die Initiative „Kein Markplatz“ dabei, welche bereits gegen mehrere verschwörungsideologische Kundgebungen am Nettelbeckplatz im Jahr 2021 protestierte.
Rathaus Tempelhof – Tempelhof-Schöneberg
Seit dem 17.01. gibt es auch wöchentliche Proteste am und um das Rathaus Tempelhof. Mit einem Fahrradkorso in Solidarität mit den Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, greift dieser lokale Protest zudem eine bewährte Aktionsform gegen verschwörungsideologische Versammlungen auf. Auch am Rathaus Schöneberg und am Rathaus Friedenau.
Rathaus Lichtenberg
Am 24.01. starteten antifaschistische Initiativen den ersten Protest gegen die „Montagsdemonstrationen in Lichtenberg. Am 31.01 wird auch die Engagierten vom „Bunten Wind“ am Rathaus protestieren.
Neue Gegenproteste – Spandau & Charlottenburg
Erstmals gibt es am 31.01. Gegenproteste in Spandau an der Moritzstraße/Markt Altstadt und in Charlottenburg an der Wilmersdorfer Str/Goethestr.
weitere Hintergründe
(Diese Informationen basieren auf der Fachexpertise der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR.)
Eine neue verschwörungsideologische Protestwelle gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-Pandemie führt seit dem Spätherbst zu montäglichen Kundgebungen und Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet. Im Unterschied zu den verschwörungsideolgischen Versammlungen bis zum Sommer 2021, die sich auf zentrale Zusammenkünfte in Großstädten konzentrierten, folgen diese zumeist unangemeldeten Demonstrationen einem dezentralen Konzept und finden vor allem in kleinen und mittelgroßen Städten viel Anklang. David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Magdeburg fasst diese Konzept wie folgt zusammen:
Auffällig ist auch, dass es mittlerweile viele kleine Aktionen und weniger zentrale große wie in Berlin 2020 gibt, als Protestierende die Reichstagstreppe erklommen. Nun sind es wenige Hundert, auch mal Tausende, die sich versammeln. »Die Dezentralisierung schafft denjenigen, die auf die Straße gehen, eine immense Selbstwirksamkeit«, sagt Begrich und konkretisiert: Wenn man mit 600 Leuten in einer 25 000-Einwohner-Stadt wie Sangerhausen in Sachsen-Anhalt auf die Straße gehe, sei das »für eine Stadt wie Sangerhausen eine Großdemonstration. Damit bestimmt man den Diskurs in der Stadt.«
nd, 04.01.2022
Das Protestkonzept erklärt warum die Montagsdemonstrationen in den Berliner Bezirken erst zum Jahresbeginn 2022, also verhältnismäßig spät, wachsende Teilnehmendenzahlen aufweisen. Für Personen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum aus Berlin waren Versammlungen im Berliner Umland, z.B. in Bernau, Königs Wusterhausen oder Schöneiche zunächst attraktiver als kleinere Versammlungen in einer Stadt mit ca. 4 Millionen Einwohner_innen. Mit ca. 4000 Teilnehmenden auf unterschiedlich großen Versammlungen in den Berliner Bezirken an 20-30 Orten, sind die „Montagsdemonstrationen Mitte Januar auch in Berlin etabliert.
verschwörungsideologische „Montagsdemonstrationen“ in Berlin
Die MBR Berlin hat die Zusammensetzung der Teilnehmenden an den rechtsoffenen Versammlungen seit Frühjahr 2020 mehrfach als diffuse Mischung unterschiedlichster Milieus beschrieben, deren gemeinsamen Nenner Verschwörungsnarrative sind, häufig kombiniert mit NS-Verharmlosung und codiertem Antisemitismus. Diese Charakteristik bildet sich auch bei den montäglichen Versammlungen in Berlin regelmäßig in unterschiedlichen Varianten ab. Zentrales Ziel aller Montagsdemonstrationen sind die Rathäuser, manchmal aber auch bestimmte Kirchen. In manchen Bezirken trifft man sich direkt am Rathaus, in anderen Bezirken bilden S- oder U-Bahnstationen die Startorte für Demonstrationen zum Rathaus. In den letzten Wochen gab es montags ab 18 Uhr solche Versammlungen an über 20 Orten der Stadt. Die Versammlungen in Berlin zeichnen sich bisher durch eine geringe Teilnahme von Rechtsextremen aus.
Bereits seit über 12 Monaten finden an verschiedenen Wochentagen kleine angemeldete Kundgebungen oder unangemeldete Mahnwachen an gleichbleibenden Orten in Berlin statt. Diese Miniversammlungen blieben vielerorts unterhalb der Wahrnehmungsgrenze der Berliner_innen. Seit Anfang Dezember nehmen die Teilnehmendenzahlen an Montagen aufgrund der bundesweiten Protestwelle wieder zu. Es werden alte Treffpunkte von Versammlungen aus dem verschwörungsideologischen „stehen auf“ Milieu reaktiviert. Dieses Milieu lässt sich durch eine Berliner Besonderheit beschreiben: Bei der Gruppierung „Querdenken Berlin“ wurde im Oktober 2020 durch „Querdenken Stuttgart“ das Führungspersonal in Berlin ausgetauscht. (siehe auch: ZDF MAGAZIN ROYALE ) Es gründete sich ein zusätzlicher Zusammenschluss mit dem Namen „Berlin steht auf“. Dieser wird nun relevant und nimmt eine zentrale Rolle bei der Organisation lokaler „Montagsdemonstrationen“ in Bezirksgruppen über den Messengerdienst Telegram ein. Mit der Umbenennung der Telegramgruppe in „Freie Berliner/Berlin steht auf“ schließt sich die Gruppe selbst den bundesweiten „Monatgsdemonstrationen“ an, die von der sächsischen Gruppierung „Freie Sachsen“ maßgeblich vorangetrieben wurde.
Nicht alle Montagsdemonstrationen werden von „Berlin steht auf“ über Telegram koordiniert. Die angemeldete verschwörungsideologische Demonstration in Tegel z.B. ist unabhängig, zeigt ihre Verbundenheit zu den beschrieben Zusammenhängen jedoch mit dem Frontbanner „Tegel steht auf“. Häufig sind auch Kleinstgruppierungen aus dem Umfeld von „Eltern stehen auf“, einem weiteren bundesweit über Telegram vernetzten Milieu mit vielen lokalen Ablegern an den „Montagsdemonstrationen“ beteiligt.
„Montagsdemonstration“ in Berlin, organisiert von Rechtsextremen
Die rechtsextreme Kleinstgruppierung „Patriotic Opposition Europe – POE“ hat an den Montagen ab dem 27.12.21 Demonstrationen zu einem Berliner Medienhaus durchgeführt an denen jeweils eine dreistellige Anzahl an Personen teilnahm.
Das Netzwerk Berlin gegen Nazis schreibt, POE gelinge es „nach jahrelangen gescheiterten Versuchen“ erstmals, mit einer dreistelligen Personenanzahl zu demonstrieren. Die „verschwörungsideologischen Mobilisierungen“ machten es möglich.
taz, 28.12.2021
„POE“ war bereits vor COVID in Berlin aktiv. „POE“ führte seit 2019 regelmäßig Aufmärsche zum Teil in Kooperation mit Reichsbürgergruppierungen durch, wie beispielsweise am 9. November 2019. Zu den eigenen „POE“ Aufmärschen in Berlin kamen jeweils unter 100 Personen. Die Gruppierung ging aus den rechtsextremen Aufmarschserien von „Wir für Deutschland-WfD“ 2016-19 hervor. Weitere Hintergründe dazu in einer MBR Berlin Einschätzung aus dem Jahr 2019. Die „POE“ ist seit Frühjahr 2020 bei den rechtsoffenen Versammlungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum in Berlin präsent. Bei der „Querdenken“-Demonstration am #b0108 2020 mit eigenem Lautsprecherwagen. 20/21 gab es im Rahmen der verschwörungsideologischen Versammlungen mehrfach eigene Mobilisierungen, z.B. am 6.06.2020. Auch bei der letzten bundesweiten Tag X Mobilisierung aus dem verschwörungsideologischen Spektrum am 21. 04.2021 nach Berlin war die rechtsextreme Kleinstgruppierungen vor Ort. An der Mobilisierung zu den Aufmärschen von Rechtsextremen + vielen Reichsbürgergruppierungen am 20.03.21 und 03.07.2021auf der Straße des 17. Juni beteiligte sich diese Gruppierung ebenfalls.
Routen und Kundgebungsort, Montag – 31.01.2022
(Stand Anmeldungen/Informationen 31.01.2022- Änderungen möglich)
Hinweis: Unsere Informationen basieren auf der öffentlichen Versammlungsdatenbank des Landes Berlin, sowie Zusatzinformationen aus eigener Recherche. Unsere Informationen zu Versammlungen können von der Versammlungsdatenbank abweichen, da wir häufig aktuellere Informationen bereitstellen und die Datenbank, z.B. Verbote nicht anzeigt. Gegen begründete Verbote von Versammlungen kann die anmeldende Person eine gerichtliche Klärung in Eilverfahren durch mehrere Instanzen auf dem Rechtsweg bestreiten. Wir aktualisieren unsere Informationen bei neuen Entwicklungen und ausreichender Relevanz der Anmeldungen. Diese Informationen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Gegenproteste & Gedenken
- 17.00-19.00 Gegenprotest, Reptiloider Fahrradkorso von „antiverschwurbelte aktion“
–Route: Greifenhagener Str. (neben Gethsemanekirche) – Greifenhagener Str. – Stargarder Str. – Gleimstr. – Rügener Str. – Gustav-Meyer-Allee – Scheringstr. – Liesenstr. – Chausseestr. – Müllerstr. – Demo wendet – Müllerstr./Ostender Str. – Müllerstr. – Nazarethkirchstr. – Hochstädter Str. – Liebenwalder Str. – Reinickendorfer Str. – Seestr. – Osloer Str. – Prinzenallee – Wollankstr. – Breite Str. – Berliner Str. – Florastr. – Neue Schönholzer Str. – Neue Schönholzer Str. Höhe Nr.1 (EK)
- 17.00 Uhr Gegenprotest, Antonplatz, Weissensee, u.a. mit Bündnis 90 /Grüne, SPD und Die Linke Pankow
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Gethsemanekirche, von Initiative Gethsemanekiez in der Stargarder Str. – Prenzlauer Berg
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Rathaus Pankow, vom Bündnis Pankow solidarisch mit Omas gegen Rechts Berlin , Breite Str. 24
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Rathaus Neukölln, u.a. vom Bündnis Neukölln
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Rathaus Lichtenberg, u.a.mit Bunter Wind für Lichtenberg
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Rathaus Wedding, u.a. mit Die Linke Wedding
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Alexanderplatz von Geradedenken
- 17.30 Uhr Gegenprotest, Wilmersdorfer Str./Goethestr, u.a. von Aufstehen gegen Rassismus CW
- 17.30 Uhr Gedenken und Positionierung, Helene-Weigel-Platz Marzahn vom Bündnis für Demokratie & Toleranz Marzahn-Hellersdorf
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Rathaus Köpenick, vom Bündnis Menschenkette für Solidarität
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Rathaus Tempelhof, von „Tempelhof solidarisch durch die Pandemie“
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Rathaus Friedenau, Breslauer Platz
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Rathaus Schöneberg
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Moritzstr/Marktplatz, u.a. von Die Linke Spandau
- 18.00 Uhr Gegenprotest, Tegel Gorkistr./Berliner Str, u.a. von Omas gegen Rechts Berlin
verschwörungsideologische Demonstrationen (angemeldet & unangemeldet)
- 16.00 – 18.00 Uhr Kundgebung unter dem Motto „Pflege steht auf Nein zur Covid 19 Impfpflicht“, Friedrichstr. 108 (Bundesgesundheitsministerium), angemeldet für 100 Personen
–> Kurzinfo: Auf vielen Telegramaccounts von Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum wurde der Aufruf geteilt. Weitere Informationen liegen momentan nicht vor.
- 17.00 – 21.30 Uhr Demonstration in der Altstadt Spandau, angemeldet für 200 Personen
-> Route: Moritzstr.1 – Am Juliusturm – Havelstr. – Breite Str. – Markt – Carl-Schurz-Str. – Altstädter Ring – Klosterstr. – Brüderstr. – Krowelstr. – Straßburger Str. – Diedenhofener Str. – Klosterstr. – Moritzstr. 1 (EK)
Kurzinfos: Diese Demonstration findet seit Anfang Dezember wöchentlich statt . Es nehmen regelmäßig zwischen 100-200 Personen teil. Das Register Spandau hat bei der 2. Ausgabe Vorfälle erfasst.
- 18.00 Uhr unangemeldete verschwörungsideologische Versammlungen in allen Bezirken /sogenannte „Montagsdemonstrationen“ zu den Bezirksrathäusern oder Versammlung vor den Rathäusern.
Kurzinfos: Es gibt seit Wochen allgemeine Aufrufe aus dem verschwörungsideologischen Spektrum für wöchentliche Versammlungen vor den Bezirksrathäusern & vor dem Roten Rathaus um 18 Uhr, jeweils montags. Diese Aufrufe dürften für die Mobilisierung ausreichen. Aufgerufen wird zu ca.30 Orten im Stadtgebiet. Weitere Informationen im obigen Text.
- 18:00 -20:00 Uhr angemeldete Demonstration im Rahmen der Montagsmobilisierungen in Tegel (Reinickendorf), angemeldet für 400 Personen
-> Route: Alt-Tegel 2A, vor dem Ladengeschäft C&A (AK) – Berliner Str. – Borsigpark – Berliner Str. (EK)
Kurzinfos: In der Vorwoche nahm eine vierstellige Anzahl an Personen an der Demonstration teil.
- 18.30 – 21.30 Uhr (angemeldet ab 17.30 Uhr) Demonstration, organisiert von Rechtsextremen – Startort Alexanderplatz/Weltzeituhr angemeldet für 1000 Personen zu einem Berliner Medienhaus
-> Route: Alexanderplatz (WZU) – Rathausstr. – Rathausstr. 15 (ZK ggü. Rotes Rathaus) – Spandauer Str. – Mühlendamm – Gertraudenstr. – Spittelmarkt – Leipziger Str. – Friedrichstr. – Unter den Linden – Unter den Linden 36-38 (ZK am ZDF-Hauptstadtstudio) – Unter den Linden – Unter den Linden Ecke Glinkastr. wenden, Unter den Linden – Schlossplatz – Karl-Liebknecht-Brücke – Karl-Liebknecht-Str.- Dircksenstr. – Alexanderplatz (Höhe Dircksenstr.)
Kurzinfos: Dies ist die 6.Ausgabe dieser Demonstration der rechtsextremen Gruppierung „POE“ gegen ein Medienhaus in Berlin. Seit Mitte Januar ist ein Streit zwischen der rechtsextremen Gruppierung und den für die „Montagsdemonstrationen“ zentralen verschwörungsideologischen Gruppierung entbrannt, der teilweise öffentlich auf Social Media ausgetragen wird. Trotz dieser Auseinandersetzung, die sich u.a. um Rechtsextremismus dreht, wahrscheinlich aber auch um die Konkurrenz um die begehrte zentrale Route Unter den Linden, hatte die Demonstration am 24.01.22 steigende Teilnehmendenzahlen, mittlerweile im niedrigen 4-stelligen Bereich. Weitere Infos im obigen Text.
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