Proteste gegen rechtsoffene Versammlung am Rosa Luxemburg-Platz

Update +++ Samstag, 25.04.2020, Rosa-Luxemburg-Platz, 15.30 Uhr - Am fünften Samstag in Folge wird zu einer sogenannten "Hygiene -Demonstration" am Rosa-Luxemburg-Platz mobilisiert. Erstmals sind auch Gegenproteste angemeldet.

Die Mobile Beratung gegen Rechstextremismus Berlin – MBR schätzt die auch am kommmenden Samstag zu erwartende unangemeldete Versammlung am Rosa-Luxemburg-Platz zusammenfassend folgendermaßen ein:

Die Veranstaltung entwickelt sich absehbar zu einer Plattform für verschiedene rechte bis rechtsextreme Spektren. Die fehlende Abgrenzung der Organisator_innen und Teilnehmenden von rechts sowie die Offenheit für verschwörungsideologisch beeinflusste Behauptungen, die diese Veranstaltungen für solch ein Milieu attraktiv machen, dürften der Hauptgrund dafür sein. Personen die trotz dieser Entwicklung jetzt noch dem Aufruf folgen, können auf diese Weise zu Statisten der rechten bis rechtsextremen Videoaktivisten werden und zum Teil von deren Erzählungen. Diese bilden mangels anderweitiger Struktur mittlerweile den Mittelpunkt der Versammlungen am Rosa-Luxemburg-Platz.

Einschätzung der MBR Stand 24.04.20 – Eine längere Version dieser Einschätzung der MBR findet sich am Ende dieses Artikels.

Am letzten Samstag drückten Anwohner_innen sehr vereinzelt ihren Protest gegen die Versammlung durch laute Rufe aus Fenstern aus. Unter der Woche gab es, auch aufgrund der umfangreichen medialen Berichterstattung, viele Diskussionen über mögliche Positionierungen gegen die Versammlung aufgrund ihres rechtsoffen Charakters. Entsprechend sind für diesen Samstag weitere und vermehrte Protestaktionen der Anwohner_innen wahrscheinlich, zu denen Plakate im Kiez um den Rosa-Luxemburg-Platz mobilisieren.

Tatsächlich gibt es eine genehmigte Kundgebung am Rande des Rosa-Luxemburg-Platzes unter dem Motto „Rosa-Luxemburg-Platz bleibt solidarisch und links“. Diese Kundgebung findet unter der bestehenden Aussetzung des Versammlungsrechtes, entsprechend §4 der geltenden Verordnung des Berliner Senats zur Eindämmung von Covid_19, mit einer Ausnahmegenehmigung nach §4 Absatz (6) und somit mit maximal 20 Teilnehmer_innen statt.
Dies bedeutet auch, das die Organisator_innen der Versammlung sicherstellen müssen, dass Abstandsregelungen und weitere Hygienemaßnahmen nach §2 der Verordnung eingehalten werden.
Berlin gegen Nazis erreichte die Information, dass die Kungebungsorganisator_innen darum bitten, diese für sie schwierige Situation zu berücksichtigen, sollte Interesse an der Teilnahme bestehen.

Ein Bündnis aus über 15 Jugendorganisationen, Student_innenvertretungen, Parteien, linken Initiativen, Organisationen, u.a. der Berliner VVN BdA, dem Jugendtheater P14 der Volksbühne, dem LAG Antifaschismus DIE LINKE Berlin und der Initiative Staub zu Glitzer haben eine Pressemitteilung veröffentlicht, die Berlin gegen Nazis vorliegt. Unter der Überschrift „Keine Querfront auf dem Rosa-Luxemburg-Platz!“Nicht ohne uns“? – Ohne uns!“ schreibt das Bündnis u.a.:

Die Verhältnismäßigkeit von Infektionsschutzverordnungen und die Einschränkung der Grundrechte sind zu hinterfragen und zu kritisieren.
Kein Verständnis haben wir für Menschen und Gruppierungen, die ihre Kritik mit Rechtsextremen, Faschist*innen und Neurechten auf die Straße tragen und die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz für ihre rechtspopulistischen Zwecke missbrauchen.

Das Berliner Bündnis gegen Rechts, ein Zusammenschluss von Vereinen, Verbänden und linken sowie antifaschistischen Gruppen, hat ein Statement unter dem Titel „Mit Nazis für Bürgerrechte demonstrieren? Das ist ein schlechter Witz!“ veröffentlicht. In diesem Statement heißt es u.a.


Es entsetzt uns, dass hier Antisemitismus, Rassismus, und auch die Relativierung der Shoa unter der Fahne der Bürgerrechte propagiert werden.

Änderungen sind möglich. Aktuelle Infos auf Twitter unter dem Hashtag: #b2504

—————————–

Die ausführliche Einschätzung der Mobile Beratung gegen Rechstextremismus Berlin – MBR: zu den rechtsoffenen Versammlungen am Rosa-Luxemburg-Platz – Stand 24.04.2020

Der Verein Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand mobilisiert seit vier Wochen jeden Samstag zu Kundgebungen, sog. „Hygienedemos“ auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, die sich äußerlich gegen die Einschränkungen im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie richten. Auf ihrer Internetseite bezieht sich die Initiative auf Darstellungen aus diversen sog. „Alternativmedien“, die Verschwörungserzählungen zum Corona-Virus verbreiten. Dabei machen sich die Verantwortlichen der Seite u.a. einer im Internet kursierenden Einschätzung zu eigen, die behauptet , Corona sei „nicht gefährlicher als die Erkältungswellen, wie sie zu jedem Jahreswechsel über die Nordhalbkugel hinweg stattfinden“, dennoch werde „Todesangst geschürt und eine maßlose Faschisierung des zivilen Lebens“ betrieben.

Auch bei der vierten „Hygiene-Demo“ auf dem Rosa-Luxemburg-Platz gegen die Einschränkungen im Rahmen der Corona-Maßnahmen am vergangenen Samstag den 18. April 2020 setzte sich der Trend zur wachsenden Resonanz fort. Polizeischätzungen gehen von rund 500 Teilnehmenden aus. Weiterhin handelt es sich dort um ein diffuses Spektrum, das keinen gemeinsamen inhaltlichen Ausdruck beispielsweise durch Redebeiträge oder ähnliches hat. Inwieweit die Positionen, die an Hand von sicht- und hörbaren Statements in Form von Interviews, Plakaten und Rufen deutlich werden repräsentativ für alle Teilnehmenden stehen, kann daher nicht abschließend beurteilt werden. Es zeichnen sich jedoch zunehmend verbindende Elemente ab, wie verschwörungsideologisch beeinflusste Vorannahmen und eine fehlende Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen.


Wie bereits in den Wochen zuvor waren erneut bekannte Vertreter_innen des rechtsoffenen verschwörungsideologischen Milieus vor Ort, darunter zahlreiche Protagonisten selbsternannter „Alternativmedien“. Diese entstanden unter anderem im Umfeld der Montagsmahnwachen 2014 und sorgen für eine weitere Verbreitung der dort auf die Straße getragenen aktuellen Verschwörungserzählungen zu Corona über die sozialen Medien.
Bei diesen Erzählungen wird die Pandemie u.a. als eine Lüge oder Instrument tituliert, um eine „Neue Weltordnung“ (NWO) zu installieren: Es fanden sich Schilder mit der Aufschrift: „Coronaschwindel = NWO“ und „Corona = Trojanisches Pferd“, darunter folgt eine Aufzählung wofür die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als vermeintlicher Vorwand dienen sollen: „Verbote, Sozialismus, Impfzwang, NWO, Bargeldverbot und Immunitätspass“ .


Immer größere Popularität bekommen zudem, nicht nur auf der Versammlung, ursprünglich aus dem US-amerikanischen stammende Erzählungen über Bill Gates, wonach dieser aufgrund unterschiedlicher unterstellter Motive von der Pandemie profitieren wolle bis hin zu der Behauptung, er hätte diese sogar initiiert. Ebenso waren am vergangenen Samstag Anhänger der ebenfalls aus den USA stammenden, stark antisemitischen sog. „QAnon“-Verschwörungserzählung vor Ort.

Daneben werden die Maßnahmen der Regierung mit der Politik im Nationalsozialismus verglichen, so trug eine Person bei der Versammlung ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stoppt die Ermächtigungsgesetze!!“ und auf der Rückseite „Kein neues 1933 – Leute passt auf“ . Ein anderer Teilnehmer hatte sich an seinen Oberarm einen sogenannten „Judenstern“ angebracht. Mit dieser Bildsprache werden die antisemitische Politik im Nationalsozialismus und die Schoa verharmlost. Diese Analogie zwischen den Eindämmungsmaßnahmen und NS-Diktatur hatte bereits Ende März von führenden Protagonisten dieser verschwörungsideologischen Szene in Videos aufgegriffen, welche teilweise mehr als 800.000 Mal aufgerufen wurden. Auch andere YouTube-Videos von den „Hygiene-Demos“ haben sehr hohe Aufrufzahlen. Einige Akteure waren bereits 2014 bei den sog. „Montagsmahnwachen für den Frieden“ aktiv. Damals wurde von der Bühne verkündet, sich weder dem rechten, noch dem linken politischen Lager zugehörig zu fühlen. Stattdessen wurde behauptet, eine solche Einteilung sei lediglich ein spaltendes Herrschaftsinstrument gesellschaftlicher Eliten.


Es verwunderte daher nicht, dass sich zunehmend auch eindeutig rechtextreme Personen von den Aufrufen zu den „Hygiene-Demos“ angesprochen fühlen und sich unwidersprochen an diesen beteiligen können. Die Veranstaltung entwickelt sich absehbar zu einer Plattform für verschiedene rechte bis rechtsextreme Spektren. Die fehlende Abgrenzung der Organisator_innen und Teilnehmenden von rechts sowie die Offenheit für verschwörungsideologisch beeinflusste Behauptungen, die diese Veranstaltungen für solch ein Milieu attraktiv machen, dürften der Hauptgrund dafür sein. Personen die trotz dieser Entwicklung jetzt noch dem Aufruf folgen, können auf diese Weise zu Statisten der rechten bis rechtsextremen Videoaktivisten werden und zum Teil von deren Erzählungen. Diese bilden mangels anderweitiger Struktur mittlerweile den Mittelpunkt der Versammlungen am Rosa-Luxemburg-Platz.