Kleiner rechtsextremer Aufmarsch gegen CSD Berlin kaum wahrnehmbar

Eine neue Gruppe junger Rechtsextremer rief zur Kundgebung gegen die Demo des Berliner CSD am 26. Juli auf. Während nur circa 30 Teilnehmende dem Aufruf folgten, demonstrierten hundertausende Menschen für sichtbares, sicheres queeres Leben.

Am Samstag, den 26. Juli, nahmen wieder mehrere hunderttausend Menschen an der Demo zum CSD in Berlin teil. Unter dem Motto „Nie wieder still!“ wurde ein starkes Zeichen gegen zunehmende Anfeindungen und Angriffe auf die queere Community gesetzt sowie sichtbar und selbstbewusst gefeiert.

Rechtsextreme Kundgebung an der CSD-Demoroute

Gefahren für queeres Leben gehen nicht nur, aber aktuell sehr virulent von gewaltbereiten Rechtsextremen aus. Aus dem Umfeld aktionsorientierter rechtsextremer Jugendgruppen wurde auch gegen die CSD-Demo in Berlin mobilisiert. Konkret hatte die Gruppe „Deutsche Patrioten Voran“ eine Kundgebung an der Ecke Potsdamer Str./Schöneberger Ufer angemeldet, an der die CSD-Demo vorbeizog. Angemeldet hatten die Rechtsextremen 350 Teilnehmende, die aber nicht kamen. Zuletzt konnte dieses Umfeld nur wenige zu ihren Aktionen mobilisieren und auch am Samstag erschienen nur crica 30 Teilnehmende.

Die Kundgebung startete mit einstündiger Verspätung, nachdem die Anmelderin zusammen mit weiteren Rechtsextremen bereits auf der Anreise festgenommen wurde. Die Versammlungsleitung wurde daraufhin von einem bekannten Protagonisten übernommen, der unter anderem als Anmelder des Aufmarsches am 1. Juni in Mitte in Erscheinung getreten ist. Bereits vor Start der Kundgebung im Neonazi-Erscheinungsbild reagierten die Teilnehmer*innen aggressiv auf sich nähernde Presse. Auch gegenüber spontanem und lautem Gegenprotest von Anwohner*innen und Passant*innen zeigten sich die Rechtsextremen äußert gereizt und reagierten mit Beleidigungen. Es kam zu weiteren Festnahmen im Laufe der Kundgebung. Neben der ursprünglich aufrufenden Gruppe „Deutsche Patrioten Voran“ waren ein Transparent und eine Flagge der „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) sowie kurzzeitig eine Flagge des Labels „Kampf Brigade Berlin“ sichtbar. Außerdem waren Rechtsextreme vor Ort, die sich der „Berliner Jugend“ zuordnen lassen. DJV und „Berliner Jugend“ hatten wenige Tage vorher den Aufruf über ihre Instagram-Accounts geteilt. Wie schon zuletzt bei rechtsextremen Aufmärschen gegen die CSDs in Berlin-Marzahn und Bernau tauchte die rechtsextreme Partei „Die Heimat“ auf, diesmal mit einem einzelnen Protagonisten mit Flagge. Als die Spitze der CSD-Demo den Kundgebungsort passierte, stimmten Lautsprecherwagen und Demonstrierende das Motto „Nie wieder still!“ an und übertönten den kleinen rechtsextremen Aufmarsch deutlich, der zusätzlich von spontanem Gegenprotest umringt war.

Queerfeindlichkeit für junge Rechtsextreme zentral

Welches Gefahrenpotenzial jedoch auch wenige gewaltbereite Teilnehmende an den queerfeindlichen Aufmärschen mit sich bringen können, zeigte der der versuchte Angriff am Rande der Marzahn Pride am 21. Juni. Zwei junge Rechtsextreme, einer davon im Shirt der Gruppe „Deutsche Jugend Voran“ (DJV), gingen an einer Tram-Haltestelle auf zwei Menschen mit Regenbogen-Flagge los.

Queerfeindlichkeit ist tief in der Ideologie verankert, die die jungen rechtsextremen Gruppierungen anziehend finden. Der Glaube an eine „natürliche Zweigeschlechtlichkeit” und Heteronormativität geht dabei einher mit dem Propagieren von klaren Geschlechterrollen und traditionellen Vorstellungen von Familie. Diversität in der Sphäre von Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, sexueller und romantischer Orientierung sowie von Familienmodellen wird von Rechtsextremen abgelehnt, als „pervers“ abgewertet und sogar als „krank“ pathologisiert. Queere Identitäten und queere Lebensentwürfe werden als klare Feindbilder markiert. Bei Aufmärschen äußert sich das in diskriminierende Parolen. Rechtsextreme nutzen diese Feindbilder, um ihren Gegenentwurf der völkischen, traditionellen Kernfamilie in die Öffentlichkeit tragen. Zudem propagieren Rechtsextreme, der „links-grüne Mainstream“ in Politik, Medien und Erziehungs- und Bildungsinstitutionen fördere durch gezielte „Gender-Propaganda“ die „Frühsexualisierung“ und „sexuelle Umerziehung“ von Kindern und Jugendlichen. Auch in Berlin tragen rechtsextreme Aufmärsche deshalb oft Anmeldetitel, die „gegen Gender-Propaganda“ oder „Identitätsverwirrung“ beinhalten. Ihre queerfeindliche Hetze, in der nicht selten Queerness mit Pädophilie gleichgesetzt wird, diene angeblich dem Kinderschutz und der Bewahrung vor dem „Volkstod“. Für das rechtsextrem orientierte Weltbild der teils sehr jungen Personen aus diesem Umfeld ist Queerfeindlichkeit zentral.

Große queerfeindliche Mobilisierung seit 2024

Kaum eine Pride-Demo in Berlin oder direkter Umgebung blieb zuletzt ungestört. Rechtsextreme knüpfen diesen Sommer damit an die große queerfeindliche Mobilisierung von 2024 an. Aus einer Analyse des Autor*innenkollektiv Feministische Intervention (AK Fe.In) geht hervor, dass von bundesweit über 200 stattfindenden CSDs 32 angemeldete rechtsextreme Versammlungen bedroht wurden. Im Umfeld von 68 CSDs kam es zu Störungen und Angriffen. Das bedeutet, dass 40% aller CSDs mit rechtsextremen Vorfällen konfrontiert waren. Die Summe der Aktivitäten gegen CSDs im Jahr 2024 stellen die zahlenmäßig größte Mobilisierung der extremen Rechten in Deutschland in den letzten Jahren dar.

Auch die CSD-Demo in Berlin wurde 2024 Ziel einer versuchten Störaktion von gut 20 jungen Rechtsextremen aus dem Umfeld der DJV. Störaktionen gegen CSDs sind dabei keinesfalls neu im Repertoire von Rechtsextremen sind. 2023 wurde die Demo ebenfalls schon von teils vermummten Neonazis aus dem Umfeld der Kleinstpartei „Der III. Weg” bedroht. Die rechtsextremen Mobilisierungen werden flankiert von queerfeindlichen Kampagnen wie gegen den Pride-Monat, die online und im öffentlichen Raum stattfinden.

Neues Label „Deutsche Patrioten Voran“

Tatsächlich tauchen im Umfeld der aktionsorientierten rechtsextremen Jugendgruppen ständig neue Labels und Accounts auf Social Media auf. Das bedeutet nicht immer, dass eine feste Gruppe dahinter steht. Losere Organisationsformen stehen dabei im Gegensatz zu straff organisierten Strukturen wie dem „III. Weg”, der bewusst eine Strategie verfolgt.

„Deutsche Patrioten Voran“ ist ein neues Label, das sich junge Rechtsextreme aus Berlin und Brandenburg diesen Sommer gegeben haben und das aktuell für mehrere Versammlungsanmeldungen verantwortlich ist. Erstmals öffentlich in Erscheinung getreten ist es mit einem kleinen queerfeindlichen Aufmarsch am 28. Juni in Marzahn-Hellersdorf.
Am 5. Juli schlossen sich Personen aus dem Umfeld von „Deutsche Patrioten Voran“ dem Aufmarsch-Aufruf von „Jung & Stark“ gegen den CSD in Falkensee an. Am 19. Juli mobilisierte die Gruppe wieder nach Marzahn-Hellersdorf, der Anmeldungstitel enthielt diesmal die rechtsextremen Schlagwörter „Kinderschänder“, „Bevölkerungsaustausch“ und „Remigration“. Wie zuletzt häufiger musste der Aufmarsch wegen geringer Beteiligung auf dem Gehweg stattfinden. Bereits am Folgetag, den 20. Juli, fanden sich in etwa die gleichen Personen am Lustgarten in Mitte ein, um eine Kundgebung zu stören.

Neben „Deutsche Patrioten Voran“ und „Jung & Stark“ trat die „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) in diesem Sommer gegen die Marzahn Pride am 21. Juni, den CSD in Falksensee und die CSD in Bernau am 12. Juli auf.

Die Hunderttausenden beim Berliner CSD ließen sich von den wenigen, die zum Stören kamen, nicht einschüchtern oder davon abhalten, zu demonstrieren. Im Gegenteil: Sie standen umso enger zusammen gegen Queerfeindlichkeit und rechtsextreme Hetze!