Dokumentation: Breite Proteste gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Hohenschönhausen

Am 3. Oktober 2020 protestierten 2500 Berliner_innen sehr erfolgreich gegen einen Neonazi-Aufmarsch der rechtsextremen Partei "Der III. Weg" in Hohenschönhausen, einem am Stadtrand gelegenen Teil von Lichtenberg. Beitragsfoto: Florian Boillot / Berlin gegen Nazis

Anfang August wurde bekannt, dass die Rechtsextremen vom III. Weg und dies bedeutet, Neonazis die sich sehr eng am Nationalsozialismus orientieren, erstmals einen Aufmarsch in Berlin angemeldet hatten. Sieben Partnerschaften für Demokratie aus den Berliner Bezirken informierten gemeinsam mit Berlin gegen Nazis auf Grundlage einer Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR zahlreiche Initiativen und Organisationen in neun Berliner Bezirken über den bevorstehenden Aufmarsch des III. Weges am 3. Oktober.

Im Ostsee-Viertel in Hohenschönhausen, wurden, sobald der Aufmarschort klar war, tausende Anwohner_inneflyer von lokalen Organisation verteilt, um die im Viertel lebenden Menschen über den bevorstehenden 3.Oktober zu informieren und die Möglichkeiten der Beteiligung an den Gegenprotesten bekannt zu machen.

Viele Akteure im Kiez bereiteten Positionierungen gegen Neonazis vor. Neben Protestbannern an der Aufmarschroute, präparierten Anwohner_innen am Vortag des Aufmarsches den Auftaktort der Neonazis am S-Bahnhof Wartenberg mit Kreidebotschaften gegen Rassismus, Nazis und für die Kampagne „Bunter Wind für Lichtenberg“. Die Neonazis mussten am 3.Oktober stundenlang auf diesen Botschaften stehen, da sich der Aufmarsch verzögerte.

Berlin gegen Nazis informierte kurz vor dem 3. Oktober mit einem Überblick über die berlinweite Mobilisierung zum Protest in Solidarität mit den betroffenen Anwohner_innen in Hohenschönhausen, in einem Gastbeitrag mit dem Titel „Zusammenhalten gegen Rechts“ in der taz:

Die Vorbereitungen für die gemeinsamen Proteste gegen die Neonazis stärken damit die demokratische Zivilgesellschaft Berlins als Ganze(s). Schon bevor Hohenschönhausen als Aufmarschort gesichert feststand waren die Protestvorbereitungen bereits in acht weiteren Bezirken angelaufen. Ist der jeweilige Bezirk nicht betroffen, helfen diese Vorbereitungen zur nachbarschaftlichen Unterstützung anderer Bezirke. Am 3. Oktober gibt es so entstandene Protestaufrufe und gemeinsame Anreisen nach Lichtenberg, zum Beispiel aus Treptow-Köpenick, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Pankow und Marzahn-Hellersdorf. (…)

Am 3. Oktober protestierten Anwohner_innen stundenlang und lautstark aus anliegenden Gebäuden am S-Bahnhof Wartenberg gegen den sich verzögernden Neonazi-Aufmarsch. Die gemeinsame ÖPNV-Anreise zu den breite Gegenprotesten in Hohenschönhausen selbst war der Grund, weshalb die Neonazis stundenlang auf den Start ihres Marsches warten mussten.

Die Proteste der Berliner Zivilgesellschaft gegen den Neonazi-Aufmarsch starteten bereits am Vormittag mit einer Auftaktkundgebung mit ca. 750 Teilnehmer_innen am Bahnhof Lichtenberg. Diese Kundgebung wurde ausgerichtet vom Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin mit Lichtenberger_innen vom „Bunten Wind“. Neben einer Rede des Bezirksbürgermeisters und Musikbeiträgen u.a. von Mal Elevé, sprachen Vertreter_innen des Bündnisses – u.a. vom Diozösenrat im Erzbistum Berlin, vom DGB Berlin-Brandenburg und vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg. Vertreter_innen der Omas gegen Rechts verlasen Grußworte aus ganz Deutschland. Die Teilnehmenden der Kundgebung machten sich von dort gemeinsam auf den Weg zu den Gegenprotestkundgebungen in Hohenschönhausen.

Zeitgleich zur Kundgebung am Bahnhof Lichtenberg machten sich ca. 1000 Menschen von einem weiteren Anreisetreffpunkt auf den Weg ins Ostsee-Viertel am Stadtrand. Weitere hunderte Menschen reisten mit einem Fahrradkorso von Reclaim Club Culture, einem Bündnis aus der Clubszene an.

Auf dem zentralen „Bunter Wind für Lichtenberg“ Gegenprotest am Linden-Center versammelten sich mittags mehrere hundert Teilnehmer_innen. Maßgeblich unterstützt wurde diese – ihrem Motto gerecht werdende- bunte Kundgebung von der Fach-und Netzwerkstelle Lichtblicke. Redebeiträge wurden u.a. gehalten von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, Fridays for Future Lichtenberg, einer Vertreterin des Arbeitskreis Stolpersteine Lichtenberg und Politiker_innen verschiedener Parteien aus dem Bezirk. Suli Puschban und Mal Elevé sorgten für musikalische Unterhaltung für Groß und Klein.

Das Berliner Bündnis gegen Rechts und ein Bündnis um die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Nazisregimes – Bund der Antifaschistinnen VVN/BdA positionierten sich mit weiteren Kundgebungen direkt an der geplanten Aufmarschroute der Neonazis im Ostsee-Viertel, die von vielen Teilnehmenden an den Gegenprotesten angesteuert wurden. Ein großer Teil dieser Menschen entschloss sich spontan auf der Aufmarschroute zu protestieren. Nach stundenlanger Wartezeit konnten die Neonazis daher nur 500m auf der geplanten Route marschieren. Nach weiterem langem Warten, liefen wenigen hundert Rechtsextremen schlussendlich über eine kurze Ausweichstrecke und abgelegene Parkstraßen zurück zum Ausgangspunkt am S-Bahnhof Wartenberg.

Die Berliner Zivilgesellschaft ließ am 03. Oktober die Lichtenberger_innen und insbesondere die Anwohner_innen im Ostsee-Viertel in Hohenschönhausen, nicht mit den Neonazis allein. Eine breite Mobilisierung sorgte dafür, dass der III. Weg beim ersten Aufmarschversuch in Berlin keinen erfolgreichen Tag hatte. Die Proteste sendeten ein klares Signal: Neonazi-Aufmärsche, die den Nationalsozialismus verherrlichen und den Versuch darstellen, die demokratische Kultur und die Vielfalt der Stadt zu zerstören, müssen in Berlin mit breitem Widerspruch rechnen. Betroffene Anwohner_innen, Bezirk, berlinweite Bündnisse von Engagierten und Initiativen vom anderen Ende der Stadt halten gegen Nazis zusammen.