Protestvorbereitungen und Mobilisierung
Nach der Erfahrungen aus dem Jahr 2018 startete Berlin gegen Nazis gemeinsam mit vielen Berliner Partnerschaften für Demokratie eine Informationsaktion auf Grundlage einer Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) bereits Anfang 2019. Die Information von Bündnissen, Kiezinitiativen, bezirklichen Organisationen und Lokalpolitiker_innen bereits zum Jahresbeginn ermöglichte die Anmeldung von über 20 Protestkundgebungen und Demonstrationen in neun Berliner Bezirken, obwohl die erwartete Anmeldung eines „Heßmarsches“ ausblieb. Viele Engagierte bereiten sich auf den Fall vor, dass wie im Vorjahr eine Neonazi-Aufmarsch kurzfristig in ihrem Kiez, Viertel oder Bezirk „landen“ könnte.
Während 2018 breite, gut vorbereitete Proteste in Spandau einen „Heßmarsch“ zum Ort des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnis in der Spandauer Wilhelmstadt eindrucksvoll verunmöglichten, wichen die Neonazis am 18.08.2018 in einer koordinierten Aktion auf einen Ersatzaufmarsch vom Alexanderplatz durch die Bezirke Friedrichshain und Lichtenberg aus. Dort konnten adhoc keine größeren Protestaktionen der Berliner Zivilgesellschaft erzeugt werden. (Dokumentationen 2017 und 2018)
Anders 2019. Berlin gegen Nazis fasste die tollen Protestvorbereitungen und die gleichzeitige Vernetzung von Berliner Initiativen gegen Rechtsextremismus in einem Interview mit dem Titel „Berlin ist sehr, sehr gut aufgestellt“ im Neues Deutschland so zusammen:
„Viele Personen und Initiativen hätten sich lokal vernetzt und Kundgebungen auf die Beine gestellt. So könne man spontan reagieren. Die zentrale Kundgebung findet dabei auf dem Alexanderplatz statt und wird vom »Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin« organisiert. (…) Wenn es Anzeichen für eine Versammlung der Neonazis gäbe, werde man von dort zu den vor Ort angemeldeten Kundgebungen fahren. Sollte das nicht der Fall sein, sind die lokalen Gegenproteste eher ein Treffpunkt für die große Kundgebung in Mitte.“
Auch die Bezirksverordnetenversammlungen der Bezirke Lichtenberg, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln reagierten auf die frühe Information durch die Partnerschaften für Demokratie und Berlin gegen Nazis und verabschiedeten Resolutionen gegen einen möglichen Heßmarsch in denen sie in ihren Bezirken zur Teilnahme am Protest aufriefen.
Protestchoreografie berlinweit – 17.08.2019
Der rechtsextreme „Heßmarsch“ 2019 fand nicht statt. Entsprechend meldeten viele Intiativen ihre Proteste in ihrem Bezirk kurzfristig ab. In Spandau, Lichtenberg und Kreuzberg sowie im Stadtzentrum wurde jedoch auch ohne den erwarteten Neonazi-Aufmarsch protestiert.
zentrale Kundgebung am Alexanderplatz
Das Bündnis für ein weltoffens und tolerantes Berlin organisierte eine zentrale Auftaktkundgebung der Proteste mit dem Motto „Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen – für Gegenwart und Zukunft“ an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz, an welcher sich bis zu 300 Teilnehmer_innen aus vielen Bezirken Berlins einfanden, um auch ohne stattfindenden „Heßmarsch“ gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus in Berlin zu demonstrieren. Von prominenten Redner_innen, wie dem evangelischen Bischof Droege (Videodokumentation der Rede), Verteter_innen vom DGB Berlin -Brandenburg, dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus -JFDA (Videodokumentation der Kundgebung), dem Erzbistum Berlin, dem Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg HVD-BB, dem Lesben- und Schwulenbverband Berlin-Brandenburg – LSVD, bis hin zu Vertreter_innen der bezirklichen Protestvorbereitungen vom Verband interkultureller Arbeit – VIA aus Friedrichshain und der Britzer Initiative Hufeisern gegen Rechts, wurden klare Positionierungen vorgetragen. Die Musikerin Bernadette La Hengst rundete die gelungene Veranstaltung mit musikalischen Statements gegen den Neonazi-Aufmarsch ab. Zum Abschluss der Kundgebung hielten die Protestteilnehmer_innen ihre Positionierung gegen NS-Verherrlichung mit einem Gruppebild fest.
Picknicke und Mahnwache in Spandau
Spandau hatte 2017 und 2018 die Hauptlast der Proteste gegen die rechtsextremen „Heßmärsche“ zu tragen, da in der Spandauer Wihelmstadt das ehemalige NS-Kriegsverbrechergefängnis lag, in dem Rudolf Heß am 17.08.1987 Selbstmord beging. Dieser Ort ist das eigentliche Ziel der „Heßmärsche“. Auch 2019 besetzte die Spandauer Zivilgesellschaft diesen Ort frühzeitig und feierte dort ein gut besuchtes Fest der Demokratie in Form eines Picknicks organisiert von einem breiten Bündnis der Spandauer Bezirksverbände der SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und FDP und dem Verein B²Aktion+ unterstützt u.a. von der Partnerschaft für Demokratie Spandau und dem Restaurant La Amistad .
Zum Protestauftakt in Spandau führte die Mahnwache für Toleranz und ein friedliches Miteinander – Gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeitvon der Evangelischen Kirche Spandau am Melanchtonplatz eine Mahnwache durch.
Anwohner_innen aus Staaken um die AG Vielfalt der Stadtteilkonferenz Heerstraße veranstalteten zeitgleich ein Picknick für Respekt und Toleranz, um ein Zeichen gegen NS-Verherrlichung zu setzen. 2018 sollte der rechtsextreme Aufmarsch durch ihr Wohngebiet ziehen, daraus entwickelte sich dieses tolle Engagement.
Anwohner_innenprotest in Kreuzberg
Auch in Kreuzberg versammelten sich Anwohner_innen auf Initiative des örtlichen AWO-Begegnungszentrums, um ein Zeichen gegen Neonazis zu setzen. Am Kundgebungsort unterstütze ver.di Berlin-Brandenburg die Anwohner_innen mit ihrem BERLIN GEGEN NAZIS- Transparent vor der Gewerkschaftszentrale.
Protestkundgebung am Bahnhof Lichtenberg
Am Bahnhof Lichtenberg, dem Endpunkt des „Heßmarsches“ 2018 versammelten sich über 50 Teilnehmer_innen aus dem Bezirk auf einer Kundgebung des Lichtenberger Bündnis für Demokratie und Toleranz. Mit Redebeiträgen von lokalen Initiativen und klaren Positionierungen gegen NS-Verherrlichung wurden deutliche Zeichen und zugleich eine Grundlage für eine schnelle Reaktion auf einen am Tag nicht ausgeschlossenen Spontanaufmarsch der Neonazis gesetzt.