Seit Wochen bereiteten sich Engagierte auf die Proteste gegen einen rechtsextremen Aufmarsch vor, der startend am Ostkreuz durch den „linken Kiez“ in Friedrichshain marschieren wollte. Die Route war schon Tage vor dem Termin geändert worden, sodass der Aufmarsch schließlich über Gürtelstraße und Frankfurter Allee bis zum Bahnhof Lichtenberg laufen sollte.
Der gescheiterte Neonazi-Aufmarsch
Der Aufruf von Einzelpersonen aus dem Umfeld der AfD und der Jungen Alternative (JA), die sich in den sozialen Medien als „Aktionsbündnis Berlin“ präsentieren, stieß zwar bei den etablierten rechtsextremen Strukturen in Berlin im Vorfeld auf wenig Resonanz. Einige Protagonist_innen, die sich mit dem neuen rechtsextremen Label „Deutsche Jugend voran“ (DJV) identifizieren, nahmen jedoch am Aufmarsch teil. Nach dem Aufmarsch in Marzahn im Oktober war es das zweite mal innerhalb kurzer Zeit, dass diese teils sehr jungen Neonazis martialisch und größtenteils vermummt auftraten. Sie skandierten rechtsextreme Parolen und drohten Anwohner_innen, von denen sich viele aus ihren Fenstern heraus und mit Bannern an Balkonen spontan positionierten.
Auf der Anreise nach Friedrichshain griffen mutmaßlich einige dieser jungen Neonazis, in diesem Fall angereist aus Sachsen-Anhalt, Wahlhelfende der SPD in Lichterfelde brutal an und verletzten drei Personen, darunter zwei Polizisten, die eingegriffen hatten. Abermals wurde deutlich, dass die neue „Neonazi-Jugendkultur“ um die Labels DJV und „Jung und Stark“ (JS) auch in Berlin eine Herausforderung und in vielen Fällen eine ernstzunehmende Bedrohung für die demokratische Zivilgesellschaft und antifaschistisch Engagierte darstellt. Die Berliner Register haben hierzu vor kurzem einen Informationsflyer veröffentlicht, der die neue Entwicklung gut zusammenfasst.
Statt der angemeldeten 500 beteiligten sich am Samstag schließlich nur knapp über 50 Neonazis am Aufmarsch. Dieser musste nach weniger als der Hälfte der geplanten Strecke abgebrochen werden, nachdem über 1.000 Menschen an der Ecke Möllendorffstr./Frankfurter Allee direkt auf der Route protestieren. Die so gestoppten Neonazis wurden in die U-Bahn eskortiert und fuhren nach Lichtenberg zum Endpunkt der angemeldeten Route.
Die erfolgreichen Gegenproteste
Es nahmen mehrere tausend Menschen an insgesamt 13 angemeldeten Versammlungen teil, um sich gegen den Neonazi-Aufmarsch zu positionieren. Allein mehr als 2.000 davon schlossen sich der Bündnis-Demonstration von Queermany Berlin und vielen weiteren Initiativen an. Der Protest-Zug, zu dem auch die Zubringer-Demo aus Kreuzberg von Wrangelkiez United, Bizim Kiez und unseren Partner_innen vom FSV Hansa 07 sowie ein Rad-Zubringer aus dem Friedrichshainer Südkiez führten, startete bunt und laut vor dem Club about blank. Die Demo lief bis zur Ecke Boxhagener Str./Neue Bahnhofstr., wo sie von der Polizei gestoppt wurde. Die Teilnehmenden blieben laut und ließen die verspätet vorbeiziehenden Neonazis ihren Protest deutlich hören.
Im Südkiez beschallten Gegenproteste von Geradedenken sowie die Tanz-Demo mit dem Motto „Bumm Bumm statt blau-braun“ mit Soundsystemen die Neonazis circa 2 Stunden lang, ehe der rechtsextreme Aufmarsch loslaufen konnte. An der Ecke Möllendorffstr./Frankfurter Allee wartete schon der nächste Gegenprotest in Form einer Kundgebung der Omas gegen Rechts. Dass auf dieser Kreuzung viele Menschen spontan direkt auf der angemeldeten Route protestierten, sorgte letztlich dafür, dass die Neonazis ihren Aufmarsch nicht wie geplant bis zum Bahnhof Lichtenberg fortsetzen konnten.
Weitere Gegenproteste, beispielsweise vom Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick auf der Elsenbrücke sowie Kundgebungen am Nöldnerplatz und an der Lichtenberger Brücke blockierten entweder mögliche Ausweichrouten der Neonazis oder waren bereit, sich lautstark auf der geplanten Route gegen den rechtsextremen Aufmarsch zu positionieren. Die Organisatoren des Neonazi-Aufmarschs kündigten an, nächstes Jahr erneut in Berlin aufmarschieren zu wollen. Auch dann werden wieder viele Berliner_innen zeigen, dass sie Neonazis nicht die Straßen überlassen!
Kundgebung am 21. Dezember in Lichterfelde
Als Antwort auf den erwähnten brutalen Neonazi-Angriff in Lichterfelde organisiert ein breites Bündnis außerdem schon am Samstag, den 21. Dezember, eine Solidaritätskundgebung. Demokratische Parteien aus dem Bezirk, die Omas gegen Rechts und die zivilgesellschaftlichen Bündnisse Steglitz-Zehlendorf weltoffen und Lichterfelde weltoffen rufen dazu auf.
Fotos im Beitrag: Berlin gegen Nazis