Im dritten Jahr in Folge könnte es einen rechtsextremen „Heßmarsch“ in Berlin geben. Anlass ist der 32. Todestag des verurteilten NS-Kriegsverbrechers Rudolf Heß, der am 17. August 1987 in einem Gefängnis in der Spandauer Wilhelmstadt Selbstmord begangen hatte. In vielen Berliner Bezirken laufen seit Monaten Vorbereitungen für Gegenproteste, um die Schaffung einer Tradition von Aufmärschen zum Zweck der NS-Verherrlichung in Berlin zu verhindern.
Protestkundgebung am Alexanderplatz
10.30 Uhr – Das Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin, ein Bündnis von Kirchen, Gewerkschaften, Sport- und Wohlfahrtsverbänden und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen ruft unter dem Motto „Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen – für Gegenwart und Zukunft“ (Facebook-Event hier)zu einer Auftaktkundgebung am 17.08.2019, um 10.30 Uhr auf dem Alexanderplatz/Weltzeituhr auf. Die Kundgebung wird auch ohne rechtsextreme Anmeldung stattfinden. Im Aufruf des Bündnisses heißt es u.a.:
Wir wollen auch dieses Jahr erneut zeigen, dass wir für eine Erinnerungskultur einstehen und Verantwortung für die Verbrechen der NS-Zeit übernehmen. Damit setzen wir uns für die Bewahrung und den Schutz einer offenen und demokratischen Gesellschaft ein. Die deutsche Geschichte ist uns Mahnung zum Handeln: die Gräuel der nationalsozialistischen Diktatur dürfen sich nicht wiederholen!
Redner_innen der Kundgebung des Bündnis Berlin sind bisher :
- Sonja Staack (DGB Berlin-Brandenburg)
- Bischof Dr.Markus Dröge (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz),
- Bernd Streich ( Vorsitzender Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin)
- Katrin Schwabow (HVD – Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg)
- Lala Süsskind (JFDA – Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus
- Kristin Meuche (LSVD – Lesben- und Schwulenverband in Deutschland – Landesverband Berlin)
Und als Vertreter_innen der bezirklichen Protestinitiativen:
- Jürgen Schulte (Britzer Initiative Hufeisern gegen Rechts)
- Matthias Hofmann (VIA – Verband für Interkulturelle Arbeit)
Bernadette La Hengst wird das musikalische Programm der Kundgebung bestreiten
Berlinweite Proteste
Seit Februar gab es Vorbereitung für Proteste in vielen Berliner Bezirken mit über 20 Protestanmeldungen. Da bisher noch keine Anmeldung eines rechtsextremen Heßmarsches erfolgt ist, mobilisieren die meisten bezirklichen Initiativen zur Kundgebung des Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin auf dem Alexanderplatz, um von dort auf aktuelle Ereignisse am 17.08. reagieren zu können. Im Neuen Deutschland hat Berlin gegen Nazis diese Strategie so zusammengefasst: “ Wenn es Anzeichen für einen Versammlung der Neonazis gäbe, werde man von dort zu den vor Ort angemeldeten Kundgebungen fahren. Sollte das nicht der Fall sein, sind die lokalen Gegenproteste eher ein Treffpunkt für die große Kundgebung in Mitte.“ (Quelle nd – „Berlin ist sehr, sehr gut aufgestellt“ – 12.08.2019)
Auch das Berliner Bündnis gegen Rechts ein Zusammenschluss von Vereinen, Verbänden und linken sowie antifaschistischen Gruppen, mobilisiert mit einem eigenen Aufruf zur Kundgebung vom Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin um 10.30 Uhr am Alexanderplatz. Das Bündnis will auf die aktuellen Entwicklungen am Samstag direkt reagieren.
In den vom „Heßmarsch“ 2018 betroffenen Bezirken Spandau und Lichtenberg sowie in Kreuzberg gibt es über die darüber hinaus Aufrufe für ein Friedensgebet, Kundgebungen und Picknicke am 17.08. Weitere angemeldete Protestorte in weiteren Bezirken werden von den jeweiligen Initiativen erst kurzfristig beworben, sollte ein rechtsextremer Aufmarsch im jeweiligen Bezirk stattfinden. Berlin gegen Nazis wird aktuell informieren.
Spandau
10.00 Uhr – Im Spandauer Ortsteil Staaken gibt es ab 10.00 Uhr eine Picknick für Respekt und Toleranz. Die AG Vielfalt der Stadtteilkonferenz Heerstraße ruft auf: „Respekt und Toleranz sind für das Leben und Zusammenleben so wichtig wie das tägliche Brot oder Brötchen und die Tasse Kaffee oder Tee zum Frühstück! Deshalb und weil eventuell, wie in den letzten beiden Jahren, rechtsextreme Gruppen meinen könnten, den Todestag von Rudolf Hess dafür zu nutzen, um hier in Spandau ihren Hass zu demonstrieren, laden wir zum Picknick ein.“
10.30 Uhr – Am wahrscheinlichsten Zielort der Rechtsextremen Nahe des Ortes an dem Rudolf Heß 1987 Selbstmord beging, wird es ein ökumenisches Friedensgebet in der Ev. Melanchthon-Kirche geben. Der evangelische Kirchenkreis Spandau positioniert sich damit um 10.30 Uhr gegen Neonazis in Spandau.
11.00 Uhr – In der Spandauer Wilhelmstadt direkt am Ort des ehemaligen NS-Kriegsverbrechergefängnisses an der Wilhelmstraße 23 wird es Protest in Form eines Picknicks unter dem Motto „Fest für Demokratie“ geben. Ein breites Bündnis der Spandauer Bezirksverbände der SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und FDP und dem Verein B²Aktion+ unterstützt u.a. von der Partnerschaft für Demokratie Spandau und dem Restaurant La Amistad ruft zur Teilnahme auf.
Lichtenberg
11.00 Uhr – In Lichtenberg ruft das Lichtenberger Bündnis für Demokratie & Toleranz unter dem Motto „Laut gegen Neonazis“ zu einer Kundgebung vor dem Bahnhof Lichtenberg auf, um auf eine mögliche spontane Anmeldung eines „Heßmarsches“ im Bezirk reagieren zu können. Im Bündnisaufruf heißt es: „Auch wenn kein Hess-Aufmarsch stattfinden sollte wollen wir für ein solidarisches und menschenrechtsorientiertes Miteinander auf die Straße gehen.“
Kreuzberg
11.00 Uhr – In Kreuzberg ruft das AWO Begegnungszentrum zu einer Kundgebung an der Straßenkreuzung Köpenickerstraße/ Engeldamm direkt vor der ver.di Bundesverwaltung unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt- eine bunte Welt ist möglich!“auf, um ein lokales Zeichen gegen den möglichen „Heßmarsch“ in Berlin zu setzen. Alle Nachbar_innen sind eingeladen.
Einschätzung & Hintergründe
Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR hat eine aktualisierte Einschätzung und Hintergründe zum möglichen „Heßmarsch“ veröffentlicht, dort heißt es u.a.:
Bisher liegt für dieses Jahr allerdings weiterhin weder eine Anmeldung noch eine öffentliche Ankündigung der Organisatoren für einen Aufmarsch vor.
(…)
Es muss zwar davon ausgegangen werden, dass die in den Vorjahren beteiligten Rechtsextremen auch kurzfristig dazu in der Lage wären, eine größere Anzahl von Teilnehmenden zu mobilisieren, eine Aufmarschanmeldung wird jedoch täglich unwahrscheinlicher. Wenn doch noch ein Aufmarsch auch 2019 in Berlin stattfindet oder spontane unangemeldete Aktionen von Rechtsextremen im Stadtgebiet durchgeführt werden, könnte mit einer niedrigen dreistelligen Zahl von Rechtsextremen gerechnet werden.
Stand: 12.08.2019
Resolutionen
Die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung hat am 21.03.19 dem Internationalen Tag gegen Rassismus eine Resolution beschlossen. Die Pankower Bezirksverordnetenversammlung folgte am 15.05.19 mit
einer Resolution mit dem Titel „Keine Verherrlichung des Deutschen Faschismus in Pankow“. Auch die Bezirksverordentenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat am 05.06.2019 eine Resolution mit dem Titel “ Heßmarsch Mitte August: Friedrichshain-Kreuzberg stellt sich gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus“ verabschiedet. Die BVV Neukölln verabschiedete ebenfalls am 14.08.2019 eine Resolution mit dem Titel “ Kein Gedenken an NS-Kriegsverbrecher Rudolf Heß in Neukölln und anderswo“
In der Pankower Resolution heißt es u.a.:
Die BVV Pankow positioniert sich entschlossen gegen jegliche Verherrlichung und Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. Sie ermuntert die Pankowerinnen und Pankower, sich aktiv gegen einen potentiellen Heß-Gedenkmarsch Mitte August zu engagieren und sich friedlichen Gegenprotesten anzuschließen. Betroffene rechtsradikaler, rassistischer und antisemitischer Gewalt haben unsere volle Solidarität.
Aktuelle Informationen auf Twitter. Der Hashtag für den 17.08. lautet #b1708
Beitragsfoto: Florian Boillot