4. Versuch der Mobilisierung ins Regierungsviertel 2022

UPDATE +++ Freitag, 17.06.2022, ab 9.30 Uhr, Regierungsviertel/Stadtzentrum/Kreuzberg - Ein erneuter Versuch der Mobilisierung ins Regierungsviertel läuft im verschwörungsideologischen Spektrum seit Wochen. Es gibt keinen konkreten Anlass. Vermutlich ist daher die Historie des 17. Juni Grund für die Terminierung unter der Woche. Es gibt momentan zwei Anmeldungen.

Hintergründe

Die erneute Mobilisierung ins Regierungsviertel ist bisher weniger von Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum geprägt und ihr Umfang ist bisher auch sehr gering. Vorangegangen waren drei gescheiterte bundesweite Mobilisierungen am 26.01.2022, vom 16.-18. 03.2022 und am 07.04.2022. überwiegend aus Anlass der Beratungen über Anträge zur allgemeinen Impfpflicht im Bundestag. Insbesondere an der größten Mobilisierung 2022 für den 18.03.2022 beteiligten sich auch zwei Gruppierungen mit Anmeldungen, die nun auch für den 17.06.2022 ins Regierungsviertel und den Tiergarten mobilisieren. Darunter eine Anmeldung aus dem Umfeld der Berliner Gruppierung „Freedom Parade“, die zuletzt im Rahmen der sogenannten „Demo-Tour“Vernetzung eine Kundgebung am 04.06.2022 im Mauerpark mitorganisierte.

Insbesondere für die Hauptkundgebung auf dem Platz der Republik ab 9.30 Uhr spielen am 17. Juni bei der inhaltlichen Ausrichtung souveränistische Narrative und Verschwörungserzählungen aus dem Spektrum der Reichsbürger eine Rolle. So heißt es in Telegrampostings und Videobotschaften die Kundgebung sei eine „verfassunggebenden Versammlung“ mit der die „Souveränität“ Deutschlands wiederhergestellt werde, was zugleich auch einen „Friedensvertrag“ mit den Siegermächten des II. Weltkrieges ermöglichen werde.

Diese Erzählungen zu Souveränität und Friedensvertrag dominierten im Verlauf der verschwörungsideologischen Proteste in Berlin in den letzten zwei Jahren insbesondere die großen Versammlungen im Regierungsviertel am 29.08.2020. Das antifaschistische pressearchiv und bildungszentrum berlin e.V. (apabiz) und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin – MBR schrieben im Schattenbericht 2020 dazu:

Der Tag stand im Zeichen einer Art „Reichsbürgerisierung der Proteste“. Forderungen nach „Souveränität“, „Friedensvertrag“ und „Freiheit“ dominierten die Szenen im mit zehntausenden Teilnehmenden gefüllten Regierungsviertel. Nachdem wochenlang ein Widerstandsrecht zur Verteidigung des Grundgesetzes propagiert worden war, wurde nun dessen Gültigkeit bestritten. Demnach befände sich Deutschland noch immer im Kriegszustand und sei nicht souverän, sondern fremdbestimmt von den alliierten Siegermächten. In den Abendstunden überrannten einige hundert Menschen, darunter zahlreiche extreme Rechte, die Absperrungen am Reichstag und besetzten kurzzeitig die Treppe. Dieser als „Sturm auf den Reichstag“ medial überhöhte Vorgang blieb ein symbolischer Akt.

Apabiz/MBR Berlin 19.08.2021 Besorgniserregende Schulterschlüsse in pandemischen Zeiten – Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen 2020 in Berlin

Das Potential für gleitenden Übergänge vom verschwörungsidologischem Spektrum ins Reichsbürgermilieu und umgekehrt hat CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie) zum Jahresende 2021 beschrieben:

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Zu den Begriffen Souveränismus und Reichsbürger siehe auch: Reichsbürger“ und Souveränismus“.

Weiterlesen in Veröffentlichungen der MBR Berlin zu den verschwörungsideologischen Versammlungen der letzten Jahre:

19.05.2022 „Verschwörungsideologische Straßenproteste: Aktionsform Autokorso“ (Demokratiebericht Marzahn-Hellersdorf 2021 Seite 32-33)

14.02.2022Aktualisierung: Beobachtungen zu den sogenannten „Montagsspaziergängen“ in Berlin

28.12.2021 „Suchbewegungen, Verdichtungen und versuchte Neuformierungen(Belltower News – Jahresrückblick 2021)

27.08.202127.- 29. August 2021 – Verschwörungsideologische Mobilisierung nach Berlin

03.08.2021 „Die Menschen berauschen sich an diesem Gefühl“ (Interview bei t-online)

28.07.2021 Bundesweite Mobilisierung zu verschwörungsideologischen Versammlungen um den 1. August nach Berlin

03.12.2020Grund­rechte ver­teidigen – mit Rechts­extremen?“(Interview zur Reihe nachgefragt)

08.09.2020 „Diese Demonstrationen tragen zu einer Normalisierung des Antisemitismus bei“ (Interview in der Berliner Zeitung)

27.08.2020 „Verschwörungsideologische Bündnisdemonstration mit bundesweiter Mobilisierung und großer rechtsextremer Beteiligung am 29. August 2020

Routen und Kundgebungsorte, Freitag 17.06.2022

(Stand Anmeldungen/Informationen 16.06.2022 – Änderungen möglich)

Hinweis: Unsere Informationen basieren auf der öffentlichen Versammlungsdatenbank des Landes Berlin, sowie Zusatzinformationen aus eigener Recherche. Unsere Informationen zu Versammlungen können von der Versammlungsdatenbank abweichen, da wir häufig aktuellere Informationen bereitstellen und die Datenbank, z.B. Verbote nicht anzeigt. Gegen begründete Verbote von Versammlungen kann die anmeldende Person eine gerichtliche Klärung in Eilverfahren durch mehrere Instanzen auf dem Rechtsweg bestreiten. Wir aktualisieren unsere Informationen bei neuen Entwicklungen und ausreichender Relevanz der Anmeldungen. Diese Informationen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Uhr, 9.30- 14.30 Uhr – Platz der Republik, Kundgebung angemeldet für 500 Personen von „Deutschlandkongress“, Motto: „Frieden, Freiheit, Souveränität, gegen Waffenlieferungen, Impfpflicht und Rassismus

> Kurzinfo: Dies ist die zweite Demonstration von „Deutschlandkongress“ in Berlin. Am Nachmittag des 18.03.2022 wurde unter dem Motto „Friedliche Kundgebung zur Verteidigung der Grundrechte auf Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.“ eine erste Kundgebung mit ca. 500 Personen auf der Straße des 17. Juni durchgeführt. Angemeldet waren ursprünglich 50.000 Personen, die kurz vor dem 18.03. auf 10.000 reduziert wurden. Die Versammlung erreichte die 500 Personen nur, da sie von der Mobilisierung der anderen Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum am selben Tag profitierte, die am Nachmittag bereits beendet waren. Ausführlich zum 18.03. hier. Ursprünglich waren für den 17.06. 5.000 Personen angemeldet, diese wurden auf 500 Personen reduziert. Weitere Informationen im Text oben.

  • 12:00- 16:00 Uhr Fahrzeugkorso angemeldet für 1.000 Personen unter dem Motto „Für den WeltFrieden“

Route: Mehringplatz – Wilhelmstr. – Behrenstr. – Glinkastr. – Unter den Linden – Wilhelmstr. – Wilhelmstr. 67 (ZK) – Dorotheenstr. – Scheidemannstr. – Platz der Republik (ZK) – Scheidemannstr. – Dorotheenstr. – Wilhelmstr. – Unter den Linden- Glinkastr. – Behrenstr. – Wilhelmstr. – Mehringplatz

Kurzinfos: Die offenbar aus dem verschwörungsideologischen Spektrum in München geplante Versammlung wollte Medienhäuser in Mitte und Kreuzberg ansteuern sowie die „Friedenssäule“ auf dem Mehringplatz. Die ursprüngliche Route enthielt auch Abschnitte auf denen Autos nicht erlaubt sind. Die neue Route führt nun vom Mehringplatz über ein Medienhaus zum Platz der Republik und zurück. Diese Anmeldung war ursprünglich für 17.000 Personen. Es ist am 17.06. mit einer viel geringeren Anzahl an Personen als aktuell angemeldet zu rechnen.

  • +++ Abgesagt +++ (Stand 16.06.22) 12.00 – 23.00 Uhr, Ernst-Reuter-Platz, Demonstration angemeldet für 17.000 Personen, Motto: „Berlin Peace Parade 3.0 – Demoumzug für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“

-> Route: Ernst-Reuter-Platz – Straße des 17.Juni – Großer Stern – Straße des 17. Juni – Platz des 18. März

> Kurzinfo: Zu dieser Demonstration aus dem Umfeld der „Freedom Parade“ gibt es erneut nur eine minimale Mobilisierung in Berlin. Am 18.03. versammelten sich ca .30 Personen am Ernst-Reuter-Platz. Der Anmelder löste die Demonstration aber bereits am Startpunkt auf. Beworben wird die „Peace Parade“ mit einem Share-Pic auf dem möglicherweise ein abgewandeltes Peacezeichen abgebildet sein soll. Das Symbol erinnert, vielleicht zufällig, an eine Lebensrune, die in der rechtsextremen Szene auch als Erkennungszeichen genutzt wird – siehe z.B. Belltower News. Die erste Ausgabe dieser „Peace Parade“ war für den 3.10.2020 mit 5 Millionen Personen innerhalb des Berliner Autobahnringes angemeldet. Ob sie stattfand ist nicht bekannt. Es ist am 17.06. mit einer viel geringeren Anzahl an Personen als angemeldet zu rechnen.

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Beitragsfoto: Berlin gegen Nazis, 18.03.2022, Straße des 17. Juni, Kundgebung von „Deutschlandkongress“