2. August: Protest gegen „Querdenken“-Jahrestag in Mitte

Zum 5. Jahrestag der ersten bundesweiten „Querdenken“-Versammlung in Berlin im August 2020 mobilisiert das verschwörungsideologische Spektrum gemeinsam mit Rechtsextremen. Gegenproteste sind angekündigt.

Das verschwörungsideologische Spektrum mobilisiert auch 2025 zu einem Aufmarsch nach Berlin anlässlich des Jahrestages der ersten großen „Querdenken“-Demonstration 2020. Die Berliner Gruppierung „Freedom Parade“ bewirbt unter den Labels „Wir sind viele“ und „Querdenken 30“ einen Aufzug, der um 13 Uhr mit einer Auftaktkundgebung am Brandenburger Tor starten soll unter dem Motto „WELTFRIEDEN“.

In der Vergangenheit nahmen an dem Aufmarsch Anfang August, der sich in der verschwörungsideologischen Szene bundesweit als fester Termin etabliert hat, Rechtsextreme teil. So auch 2024: Über 10.000 Menschen schlossen sich dem damals noch maßgeblich von Michael Ballweg initiierten Aufmarsch an, darunter Personen aus „Reichsbürger“-Kreisen, Mitglieder der rechtsextremen Partei „Freie Sachsen“ und der Gewerkschaft „Zentrum“ sowie diverse Teilnehmende mit offen rechtsextremer Symbolik wie „Stolzmonat“- oder Reichsflaggen. Auch dieses Jahr mobilisiert das rechtsextreme Compact-Magazin zum Aufmarsch.

Die Route des diesjährigen „Querdenken“-Aufmarschs: Platz des 18. März – Ebertstr. – Dorotheenstr. – Wilhelmstraße – Unter den Linden – Schloßplatz – Karl-Liebknecht-Str. -Spandauer Str. – Anna-Louise-Karsch-Str. – Burgstr. – Kleine Präsidentenstr. – Monbijouplatz – Oranienburger Str. – Monbijoustraße – Ziegelstr. – Friedrichstraße – Unter den Linden – Wilhelmstraße – Dorotheenstr. – Ebertstr. – Platz des 18. März

Eindrücke des Aufmarschs 2024, von dem wir live berichteten:

Auf der Bühne soll dieses Jahr auch der im verschwörungsideologischen Milieu populäre Musiker „Yann Song King“ auftreten. Wie wenig Berührungsängste der Künstler vor Rechtsextremen hat, zeigt sein weiteres Programm am Samstag: Abends ist er auch beim Sommerfest der „Staatsreparatur“ in Lichterfelde angekündigt. Schon 2024 trat er bei einer Veranstaltung des rechtsextremen Compact-Magazins im sächsischen Zittau auf, letzten Karfreitag bei der aus dem Umfeld der „Freien Sachsen“ organisierten „Friedensprozession“ in Dresden, wo sich Rechtsextreme und Querfront-Apologet*innen die Klinke in die Hand gaben. Als Redner*innen am Samstag sind außerdem bekannte Protagonist*innen der verschwörungsideologischen Szene sowie ein „Überraschungsgast“ angekündigt.

Es ist denkbar, dass die Versammlung auch für Teile der aktionsorientierten rechtsextremen Jugendgruppen interessant sein wird. Zuletzt nahmen Ende Mai einige aus diesem Spektrum an einer ähnlichen Versammlung teil und sorgten für teils skurrile Szenen. Insgesamt ca. 100 Personen skandierten damals inmitten des verschwörungsideologischen Aufmarschs neonazistische Parolen, einige griffen nach Ende der Versammlung Polizeikräfte an. Eindrücke gibt es im Videobeitrag des Projekts democ. Zum Aufmarsch am Samstag mobilisieren jene rechtsextreme Kreise, die zuletzt mit Aktionen gegen CSD-Veranstaltungen und internen Streitereien beschäftigt waren, bislang jedoch nicht.

Einschätzung der MBR

Seit den zahlenmäßig größten verschwörungsideologischen Versammlungen zur Coronapandemie im August 2020, haben sich die jährlich wiederholten sogenannten Querdenken-Proteste als wichtigster Termin der Szene etabliert. Auch in diesem Jahr gibt es für das erste Augustwochenende eine Mobilisierung nach Berlin, die jedoch anders als 2024 von der lokalen verschwörungsideologischen Szene organisiert wird. Die in Berlin aktiven Gruppierungen sind trotz inhaltlicher und organisatorischer Annäherung an die AfD nur noch selten in der Lage, überregionale Mobilisierungserfolge zu erzielen. Gleichwohl gibt es auf lokaler Ebene weiterhin Versuche neue Themen und Bündnispartnerschaften zu suchen, um auf der Straße aktiv zu bleiben. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den für Samstag angekündigten Redner_innen, die u.a. aus friedenspolitischen oder antiisraelischen Zusammenhängen kommen.

Dass zur angekündigten Versammlung am Samstag dennoch mit einer größeren Teilnahme zu rechnen sein dürfte, liegt auch an dem anhaltend hohen symbolischen Stellenwert der Querdenken-Proteste für die verschwörungsideologische Szene im deutschsprachigen Raum. Für viele noch aktive Verschwörungsgläubige hatte mit den Protesten zu Beginn der Pandemie eine Politisierung eingesetzt, die bis heute anhält. So dient der Jahrestag nicht nur der Selbstvergewisserung des eigenen Handelns, sondern auch dazu, Aktivist*innen aus anderen Regionen zu treffen. Hinzu kommt, dass sich gerade in Berlins Mitte mit dem Regierungsviertel und einer Vielzahl von Medienhäusern verschiedene Möglichkeiten bieten, um die für die verschwörungsideologische Szene konstitutive und sinngebende Schuldzuweisung an konkrete Personen und Gruppen zu betreiben und Feindbilder zu markieren. Auch daher war die Stadt in den letzten Jahren immer wieder ein Anziehungspunkt für Mobilisierungen aus dem gesamten Bundesgebiet.“

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), Juli 2025.

Gegenproteste

Unter dem Motto „Alle zusammen gegen den Faschismus! Gegen rechte Friedenslügen”
startet eine Gegendemo ab 12:30 Uhr am Neptunbrunnen. Der Aufruf fokussiert sich auf die Beteiligung von Rechtsextremen sowie die Instrumentalisierung des Strebens nach Frieden und wird von vielen Initiativen, Gewerkschaften und Parteien unterstützt.

Hier die Route: Neptunbrunnen (AP) – Karl-Liebknecht-Str. – Schlossplatz – Lustgarten (ZK) – Schlossplatz – Schlossbrücke – Unter den Linden – Bebelplatz (ZK) – Unter den Linden – Unter den Linden 63 (ZK) – Unter den Linden – Unter den Linden 36 (ZK) – Unter den Linden – Pariser Platz (ZK) – Unter den Linden – Glinkastr. – Behrenstr. – Ebertstr. – Potsdamer Platz (EP)

Eine weitere Kundgebung startet um 11 Uhr am Holocaust-Mahnmal. Organisiert von OMAS GEGEN RECHTS soll das Mahnmal symbolisch vor Rechtsextremen geschützt werden. Im weiteren Verlauf des Aufmarschs wollen sie sich auch vor die Synagoge in der Oranienburger Straße stellen.

Beitragsfotos: Berlin gegen Nazis