„Abstand halten gegen Rechts“ – Positionierungen & Proteste

UPDATE +++ Samstag, 23.05.2020, Rosa-Luxemburg-Platz/Alexanderplatz/Regierungsviertel, 12.00-18.00 Uhr -Erneut wird zu rechtsoffenen "Hygiene -Demonstration" nach Berlin-Mitte mobilisiert. Es wird weiterhin Positionierungen dagegen sowie eine Vielzahl an Gegenprotesten geben.

Update (Stand 22.05.2020/18.30 Uhr)

Für 12 Uhr ist eine Kundgebung von Reichsbürgern an der Siegessäule/Großer Stern angemeldet.

Im räumlichen Umfeld dieser schon seit Monaten bestehenden Anmeldungen gibt es für 12 Uhr und den Zeitraum 14.30 Uhr und 15.30 Uhr Aufrufe zu rechtsoffenen Versammlungen und unangmeldeten Demonstrationen auf der Straße des 17. Juni, am Brandenburger Tor, zum Alexanderplatz oder zur Reichstagswiese und generell für Plätze im Stadtzentrum.

Zudem gibt es Anmeldungen für rechtsoffene Kundgebungen auf der Straße des 17. Juni und auf dem Alexanderplatz für 13 Uhr, Spandauerstraße 15 Uhr und eine rechtoffene Kundgebung für 17 Uhr am Bundeskanzleramt.

Positionierungen und Proteste am 23. Mai

Auch am 23. Mai planen Anwohner_innen weitere Positionierungsaktionen im gesamten Scheunenviertel. Die Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts hat gemeinsam mit dem DGB Berlin-Mitte, der Volksbühne Berlin, der Künstler*innenintiative Die Vielen, den Omas gegen Rechts Berlin und dem Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin, und der Amadeu Antonio Stiftung einen dreisprachigen Anwohner*inneninformationsflyer veröffentlicht, den wir hier dokumentieren. Unter dem Motto Abstand halten gegen Rechts“ rufen sie die Anwohner*innen im Scheunenviertel zur Positionierungen auf. In den letzten Tagen wurden die Briefkästen der Anwohner*innen im Viertel damit bestückt. Der Aufruf der Anwohner_innen richtet sich auch an alle Berliner_innen unabhängig ob ihr Wohnumfeld von den rechtsoffenen Versammlungen betroffen ist, sich an Balkonen und Fenstern zu positionieren:

Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – Gegen Rechts – Flyer

Rund um den Rosa-Luxemburg-Platz werden die Volksbühne Galerien und Anwohner*innen gemeinsam mit der Anwohner*inneninitiative aus dem Torstraßenviertel die bestehenden Positionierungen fortführen.

Die Volksbühne wird am dritten Samstag in Folge zeitgleich zu den rechtsoffenen Versammlungen eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „Positionen mit Abstand“ aus der Volksbühne streamen und sich so auch inhaltlich positionieren.

angemeldete Gegenproteste 23. Mai

Echsenprotest gegen Nazis am Rosa-Luxemburg-Platz – Foto: Berlin gegen Nazis

Erneut gibt es ab 14 Uhr genehmigte Kundgebung gegen die rechtsoffene Versammlung am Rosa-Luxemburg-Platz und am benachbarten Schendelpark sowie an der Straßenkreuzung Münzstraße/Ecke Rosa-Luxemburg-Straße.

Auch auf dem Alexanderplatz wird es drei Gegenprotestkundgebungen ab 14 Uhr geben. Am Brunnen der Völkerfreunschaft, an der Grunerstraße und am Neptunbrunnen.

Bereits um 12 Uhr startet ein angemeldeter Fahrradkorso am Bundeskanzleramt, der als mobiler Gegenprotest durch das Regierungsviertel bis zum Alexanderplatz führen wird.

Überblickskarte Gegenprotest vom Berliner Bündnis gegen Rechts.

Hinweis: Diese Kundgebungen findet unter der bestehenden Aussetzung des Versammlungsrechtes, entsprechend §4 der geltenden Verordnung des Berliner Senats zur Eindämmung von Covid_19, mit einer Ausnahmegenehmigung nach §4 Absatz (6) und somit mit maximal 50 Teilnehmer_innen statt.
Dies bedeutet auch, das die Organisator_innen der Versammlungen sicherstellen müssen, dass Abstandsregelungen und weitere Hygienemaßnahmen nach §2 der Verordnung eingehalten werden.
Berlin gegen Nazis erreichte die Information, dass die Kungebungsorganisator_innen darum bitten, diese für sie schwierige Situation zu berücksichtigen, sollte Interesse an der Teilnahme bestehen.

Ein Rückblick auf die bisherigen Positionierungen

Am 25. April, am 1.,2., 8., 9. und 16. Mai positionierten sich die Volksbühne, die Anwohner_innen und Galerien am und um den Rosa-Luxemburg-Platz unter dem Motto „Wir sind nicht eure Kulisse“ eindrucksvoll. Auf angemeldeten kleinen Gegenkundgebungen unter dem Motto „Reclaim Rosa-Luxemburg-Platz“ protestierten an allen diesen Tagen Menschen kreativ gegen die rechtsoffenen Versammlungen mit über 1000 Personen (9.Mai), ca. 350 (jeweils 1. und 2. Mai) und ca. 800 Personen (25. April).

Die Gegenprotestkundgebungen am Rosa-Luxemburg-Platz haben an den beiden letzten zwei Wochenenenden, die rechtsoffenen Versammlungen erfolgreich vor der Volksbühne verdrängt. Diese verlagern sich nun in die naheliegenden Straßen in Richtung Alexanderplatz. Auch dort und zwischen dem Rosa-Luxemburg-Platz und dem Alexanderplatz gab es am 16. Mai Gegenprotest. Berlin gegen Nazis fasste die Proteste am 16. Mai wie folgt zusammen:

»Die Szenerie war in dieser Woche sehr stark vom Gegenprotest geprägt. Es herrschte eine ganz andere Stimmung, die kritische Zivilgesellschaft war vor Ort. Dass die rechtsoffenen Versammlungen sich von ihrem Ursprungsort wegorientieren mussten, ist ein Erfolg.

Positionierung der Volsbühne am 25.04 und 02.05.2020 -Foto:Berlin gegen Nazis

An vielen Gebäuden am Platz, aber auch in den Seitenstraßen hingen Plakate und Transparente aus den Fenstern oder in Schaufensterscheiben. Goldene Rettungsdecken, das Erkennungszeichen der Künstler_inneninitiative DIE VIELEN wurden ebenfalls zur Positionierung genutzt und in die „Glänzenden Aktionstage“ zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8./9.Mai einbezogen. Die Volksbühne verhüllte ihren Schriftzug am Gebäude und positionierte sich mit einer UNTEILBAR und einer LEAVE NO ONE BEHIND Bauchbinde. Das Volksbühne-Rad auf dem Platz wurde zudem mehrmals verhüllt.

In einem Statement der Volksbühne heißt es u.a.:

Mit Verschwörungsideolog*innen, Antisemit*innen und der neuen Rechten darf niemand gemeinsame Sache machen, der sich für Bürger*innenrechte einsetzen will! Es ist falsch, die Pandemie herunterzuspielen und damit andere Menschen in Gefahr zu bringen.


Berlin gegen Nazis informierte im Vorfeld der bisherigen Versammlungen unter anderem mit Einschätzungen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin -MBR und dokumentierte mit Live-Berichten auf Twitter und Zusammenfassungen auf Facebook (25. April 01./02.Mai 08/09. Mai 16. Mai ) und Instagram. Die MBR ordnete zudem die rechtsoffenen Versammlungen in einem Interview für ein Video des supernova Magazin ein.

Einschätzung der rechtsoffenen Versammlungen am 23.Mai

Die Mobile Beratung gegen Rechstextremismus Berlin – MBR schätzt die zu erwartenden unangemeldeten Versammlung in Berlin-Mitte zusammenfassend folgendermaßen ein:

(…) Im Verlauf der seit März regelmäßig stattfindenden Versammlungen rund um den Rosa-Luxemburg-Platz ist zu beobachten, dass Äußerungen zu Grundrechtseinschränkungen und plakative positive Bezüge auf das Grundgesetz inzwischen augenscheinlich in den Hintergrund treten. Vermehrt zu beobachten, ist allerdings ein abstrakter, selbstermächtigender Bezug auf das Widerstandsrecht gegen den vermeintlichen Versuch der Beseitigung der demokratischen Ordnung. Dahingegen werden die aktuellen Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie und das polizeiliche Handeln gegenüber den Protestansammlungen wiederkehrend mit der Politik im Nationalsozialismus verglichen. Mit diesen Vergleichen werden die antisemitische Politik im Nationalsozialismus und die Schoah verharmlost. (…)

Waren Vertreter_innen von rechten „Alternativmedien“ und rechtsextreme Internetaktivisten als Multiplikatoren bereits seit längerem wichtige Dreh- und Angelpunkte der Ansammlungen rund um den Rosa-Luxemburg-Platz, hat der Anteil bekannter oder erkennbarer Rechtsextremer mittlerweile deutlich zugenommen. Nutzten diese Videoaktivisten die Versammlungsteilnehmenden bisher als Statist_innen ihrer reichweitenstarken Livestreams und Videos, in denen sie die benannten Verschwörungserzählungen einem immer größeren Social-Media-Publikum effektvoll präsentieren konnten, nahm der 9. Mai 2020 einen anderen Verlauf. Aufgrund der von Beginn der Kundgebungen an nicht vollzogenen Abgrenzung seitens der Organisator_innen und vieler Teilnehmer_innen, können sich Rechtsextreme und Menschen mit offensichtlich NS-relativierenden Schildern und Botschaften bei den Protesten seit Wochen weitgehend widerspruchsfrei bewegen und den Raum für sich nutzen. Am vergangenen Wochenende war zu beobachten, dass sie das Außenbild der Versammlungen zunehmend prägten. (…)

Durch die gewachsene Präsenz von gewaltbereiten Rechtsextremen, aber auch das insgesamt aggressive Auftreten zahlreicher Teilnehmer_innen aus unterschiedlichen Milieus ist die Gefahr körperlicher Angriffe im Umfeld der Proteste gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen stark gestiegen. Es bleibt abzuwarten, ob das offenere Auftreten von Rechtsextremen dazu führen wird, dass bei kommenden Mobilisierungen bisherige Teilnehmende fernbleiben oder inwieweit die sich im versammelten Spektrum bereits rezipierte Bundestagsdebatte über ein Infektionsschutzgesetz und die daran gekoppelten Verschwörungserzählungen verschärfend auf die Dynamik auswirken werden .

Weitere Aufrufe und Statements gegen die rechtsoffenen Versammlungen

Ein Bündnis aus über 20 Jugendorganisationen, Student_innenvertretungen, Parteien, linken Initiativen, Organisationen und Bündnissen, u.a. der Berliner VVN BdA, dem Jugendtheater P14 der Volksbühne, dem LAG Antifaschismus DIE LINKE Berlin, Aufstehen gegen Rassismus Berlin, der Bergpartei und der Initiative Staub zu Glitzer haben einen Aufruf veröffentlicht und mobilsieren zu einer Online-Gegendemonstration. Unter der Überschrift „Keine Querfront auf dem Rosa-Luxemburg-Platz!“Nicht ohne uns“? – Ohne uns!“ schreibt das Bündnis u.a.:

Die Verhältnismäßigkeit von Infektionsschutzverordnungen und die Einschränkung der Grundrechte sind zu hinterfragen und zu kritisieren.
Kein Verständnis haben wir für Menschen und Gruppierungen, die ihre Kritik mit Rechtsextremen, Faschist*innen und Neurechten auf die Straße tragen und die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz für ihre rechtspopulistischen Zwecke missbrauchen.

Auch das Bündnis Reclaim Club Culture aus der Berliner Clubszene hat am 15. Mai einen Aufruf mit dem Motto „Für offene Grenzen für alle.Gegen Nazis.“ veröffentlicht und organisierte am 16. Mai einen Gegenprotest auf dem Alexanderplatz.

Das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Berlin hat am 07. Mai einen Aufruf für Positionierungen und Proteste gegen dir kommenden rechtsoffenen Versammlungen veröffentlicht und am 8. und 9. Mai Gegenprotestkundgebungen am Schendelpark durchgeführt.

Das Berliner Bündnis gegen Rechts, ein Zusammenschluss von Vereinen, Verbänden und linken sowie antifaschistischen Gruppen, hatte vor dem 25.April ein Statement unter dem Titel „Mit Nazis für Bürgerrechte demonstrieren? Das ist ein schlechter Witz!“ veröffentlicht und am 14. Mai einen Aufruf zu einer Gegenkundgebung am 16.Mai publiziert. In diesem Aufruf heißt es u.a.

Seit Ende April hat sich ein breites Bündnis vielfältiger Akteur*innen sowie Anwohner*innen zum Protest gegen die sogenannten “Hygiene-Demos” zusammengefunden. „Wir wollen gemeinsam mit anderen auf die Gefahren hinweisen, die von der Leugnung von Fakten und der Verbreitung von Fake-News und Wahnvorstellungen ausgehen. Und wir sagen ganz klar: Nie wieder Faschismus! Nein zu Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungsideologien in Berlin (…)

Auch die Tanzversammlung Rosenthaler hat zum 25.April ein Statement unter dem Titel „Hygiene-Demos“ NICHT MIT UNS! “ veröffentlicht.

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